Jüdischer Autor wegen Hitlergruss verklagt

Aktualisiert

Verkehrte WeltJüdischer Autor wegen Hitlergruss verklagt

Ein jüdischer Autor zeigt auf einer Nazi-Demo in Magdeburg den Hitlergruss. Als der Mob merkt, dass Tuvia Tenenbom keiner der ihren, sondern Journalist ist, zeigen die Rechtsextremen ihn an.

von
P. Dahm
Links: Tuvia Tenenbom mit Geiss in Tirol, rechts: Demonstranten mit Fahne in Magdeburg (Bilder: Isi Tenenbom/Kestone).

Links: Tuvia Tenenbom mit Geiss in Tirol, rechts: Demonstranten mit Fahne in Magdeburg (Bilder: Isi Tenenbom/Kestone).

Wenn sich Tuvia Tenenbom an seine Recherchen macht, dann geht er in medias res, in die «Mitte der Dinge». Und das, obwohl der Mittelpunkt seines Interesses dem rechten Rand gilt: Als der jüdische Autor sein Buch «Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise» schrieb, besuchte er unter anderem einen Neonazi-Club und liess sich von Betreiber Frank erklären, woran man die Juden und ihre vermeintliche Weltverschwörung erkennt.

Chuzpe und Schneid hat der 56-jährige Leiter des «The Jewish Theater of New York» also schon hinlänglich bewiesen. Doch das juristische Theater, das er nun in Magdeburg erlebt hat, sorgt unter Freunden in seiner Heimat nur noch für Kopfschütteln: Ausgerechnet deutsche Neonazis bemühen nun den Rechtsstaat, um einen Kritiker mundtot zu machen. Wir sprachen mit dem unbequemen Autor über eine verkehrte Welt.

Tuvia Tenenbom, Sie haben Ärger mit dem deutschen Gesetz. Warum?

Tuvia Tenenbom: Ich bin mit einem Team des «Bayrischen Rundfunks» (BR) für die Sendung «Titel, Thesen, Temperamente» nach Magdeburg gefahren. Wir wollten Interviews mit rechten Demonstranten machen, die gegen die Bombardierung der Stadt vor 70 Jahren protestiert haben. Das Team blieb im Hintergrund, ich habe mich vorgewagt und wollte mich für sie hübsch machen. Ich habe den Hitlergruss gezeigt und «Heil Hitler» gesagt.

Was haben die Rechten davon gehalten?

Sie haben sich sofort in mich verliebt. Sie wollten mich beschützen vor den schlimmen Leuten vom BR. Sie sagten mir: «Wir können das nicht öffentlich machen.» So nach dem Motto: Wir machen das später. Als es zu einem Handgemenge mit den BR-Journalisten kam, entdeckte einer das Mikrofon an meiner Jacke. «Er ist Journalist, er ist einer von ihnen.» Sie versuchten, mich abzudrängen und als das nicht funktionierte, sind sie zur Polizei gelaufen und sagten: «Er hat den Hitlergruss gemacht!»

Haben die Einsatzkräfte auf die Rangeleien oder auf ihre Geste reagiert, die in Deutschland verboten ist?

Es gab so viele Polizisten, aber sie haben auf gar nichts reagiert. Erst, als sich die Neonazis über den Hitlergruss beschwerten. Sie nahmen mich beiseite und fragten nach. Ich sagte: «Kommt schon, ich bin jüdisch!» Sie überprüften meinen Namen und ich dachte, das sei alles bald vorbei, das ist ein Witz. Doch das war es nicht. Sie überprüften auch die BR-Leute und sagten mir dann, dass sie ein Verfahren eröffnen. Ich habe die Sache meinem Anwalt gegeben.

Der wird aus allen Wolken gefallen sein.

Er konnte es nicht glauben. «Was zum Teufel soll das? Das haben Sie mit dir gemacht? Das ist lächerlich!» Die Staatsanwaltschaft sammelt derzeit noch Beweise. Beweise von den Neonazis. Sie hat auch das Video-Material der BR-Leute angefordert, aber die haben mit Verweis auf die Pressefreiheit abgelehnt. Aber warum? Ich habe meine Tat ja umgehend zugegeben: Was für Beweise wollen sie sammeln? Es ist so absurd, es ist kafkaesk.

Ein Bericht des «Offenen Kanal Magdeburg» über die Neonazi-Demonstration im Januar. Quelle: YouTube/Offener Kanal Magdeburg

Deine Meinung zählt