Die «Wahrheit» hinter Michelles «Todesblick»

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In-Aug-UrationDie «Wahrheit» hinter Michelles «Todesblick»

Für die einen war es nur ein Augen-Blick, für die Medien die spannendste Frage der Welt: Was hat John Boehner zu Obama gesagt, dass dessen Frau mit den Augen rollte?

P. Dahm
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P. Dahm

Die US-Medien sind Feuer und Flamme ob Barack Obamas Amtseinführung. Grund dafür ist aber weder politischer Inhalt noch der Starauflauf von Kelly Clarkson, James Taylor und Beyoncé, die auf der Veranstaltung mal mehr und mal weniger live gesungen haben. Es liegt auch nicht am POTUS, dem President of the United States, sondern für einmal an FLOTUS, der First Lady. Die Causa: Sie hat sich vor laufender Kamera zu negativen Emotionen hinreissen lassen.

Als Repräsentantenhaus-Sprecher John Boehner ihrem Gatten etwas zuraunt, verzieht Michelle Obama die Miene auf eine Art, die man bei ihrem Stande tunlichst mit «not amused» beschreiben darf. Nun rätselt das Reporter-Volk, was der amerikanischen Queen missfallen haben mag. «Michelle Obamas Augenroller: Was hat sie gedacht?», fragt vorneweg CNN - nur um plumperweise im Text keinerlei Antworten zu geben.

Der Ausschnitt jener Szene heisst auf YouTube «Michelle Obamas Augenroller setzt Internet in Brand». Quelle: YouTube/thesbge

Konkurrent MSNBC fragt immerhin konkreter: «Michelle Obama's eye roll: Was she throwing shade?» - Hat sie da jemanden indirekt und diskret diskreditiert? Im Weiteren wird klar, dass sich der Medien-Riese auf Andeutungen eines Bloggers bezieht. Immerhin, einen selbst recherchierten Ansatz gibt es auch: «Angesichts des breiten Grinsens im Gesicht des Präsidenten nach dem Austausch könnte die Reaktion einfach die einer Ehefrau sein, die über irgendein albernes Gespräch ihres Gatten spöttelt.»

Erst das Internet, dann die ganze Welt

Den grossen Networks schliesst sich ein bunter Tross weiterer Publikationen an, die das Thema auf die Tagesordnung hieven – von der «Christian Post» («John Boehner imponiert First Lady nicht») über die «New York Daily News» («Michelle Obama rollt die Augen – Man weiss noch nicht, welche Aussage Boehners die Reaktion hervorrief») bis hin zur «Huffington Post». Die verpasst, wer hätte das gedacht, diesem Augen-Blick der Präsidentengattin das Prädikat «Internet-winning».

Schon ist auch das Ausland vom Ratefieber befallen. Besonders betroffen ist augenscheinlich die «Daily Mail». Anders ist es nicht zu erklären, dass das Blatt im Titel fantasiert: «First Lady rollt ZWEI MAL die Augen». Mittlerweile, es hat sich abgezeichnet, hat die Welle der Spekulationen auch das europäische Festland erreicht. «Michelle Obama lässt verächtlich die Augen rollen», übermittelt die «Rheinische Post» ihrer Leserschaft. Dem Nachrichtensender (sic!) N24 ist das zu wenig: «Wenn Blicke töten könnten – Hype um Michelle Obama».

Lippenleser löst langatmige Rätselsuche

Und während auf dieser Seite des Atlantiks noch Gerüchte hochgekocht werden, haben auf der anderen Seite die Schreiberlinge die Schnauze schon wieder gestrichen voll. Die Gegenbewegung droht einzusetzen: «Können alle aufhören, über Obamas ‹Augenroller› zu reden», bettelt der erste Blog entnervt. Da trifft es sich gut, dass des Rätsels Lösung in Sicht ist – sofern man Lippenlesern Glauben schenken mag. So einen haben nämlich die investigativen Reporter des Nachrichtenprogramms «Inside Edition» angeheuert.

Jener Larry Wenig glaubt zu erkennen, dass Kettenraucher Boehner Obama fragt, ob er vor dem nächsten Punkt auf der Agenda mit ihm noch eine Zigarette rauche. Der POTUS selbst hat 2010 das Qualmen aufgegeben. Als er Boehner antwortet, sind seine Lippen verdeckt, so dass seine Antwort im Dunkeln bleiben muss. Fakt ist aber, dass Boehner anschliessend Michelles Schulter tätschelt und möglicherweise sagt: «Jemand lässt Sie wohl nicht.»

Damit sollte das mediale Ratefieber eigentlich auskuriert sein, doch wer immer noch heiss auf solcherlei Fragen ist, muss nicht verschnupft sein. Kein Aussenstehender weiss, was Obama Boehner geantwortet hat. Etwas Banales wie «Ich rauche nicht mehr»? Das wäre doch reine Spekulation, lieber Leser!

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