Warten auf eine Schweizer Anne Will
Während schwule Männer in der Schweiz inzwischen mehr oder weniger unbelästigt in der Öffentlichkeit stehen können, wartet die Lesben-Szene immer noch auf das erste Promi-Coming-Out.
Der Blätterwald ist nach Wills Outing (20minuten.ch berichtete) in heller Aufregung: Ganz vorne dabei ist auch die «Bild»-Zeitung: «Lesben wollen einen Anne-Will-Feiertag», titelte das Blatt und griff eine wenig Erfolg versprechende Forderung des Lesben- und Schwulenverbandes Deutschland auf, der angeblich einen Ehrentag für Lesben will. Zwei Millionen Frauen in der Bundesrepublik lieben das eigene Geschlecht, schreibt «Bild» und will wissen: «Erst etwa 200 000 lesbische Frauen hatten den Mut, sich zu ihrer Neigung zu bekennen.» Woher das die Kollegen wohl wissen? Ob sie eine Rasterfahndung gemacht haben?
Auch im Weiteren hat die Erscheinung aus dem Hause Axel Springer keine neuen Erkenntnisse. Professorin Meckel verweigerte weitere Informationen: «Ich möchte jetzt nicht über Gefühle sprechen. Es hat einen Grund, dass wir unser Privatleben auch privat halten wollen. Das Thema ist erledigt und das ist auch gut so», wird sie zitiert. Wenn diese Betroffene nicht redet, dann andere: Die Schreiberlinge behelfen sich mit Zitaten aus Lesben-Foren. Das sieht dann so aus: «chick habit: `Ich denke, dass das von den beiden lange und klug geplant war.?»
Schweizer Lesben: Nachholbedarf gegenüber Schwulen
Hierzulande haben lesbische Frauen ganz andere Sorgen. «Ein Extratag kann nicht das Ziel sein», sagt Brigitte Röösli von der Lesbenorganisation Schweiz. «Wir müssen vielmehr ein grösseres Bewusstsein für lesbische Frauen in unserer Gesellschaft schaffen.» Ihre Leben würden weniger ernst genommen als die homosexueller Männer. «Während Schwule schon weitgehend akzeptiert sind, haben es Frauen immer noch schwer, in der Öffentlichkeit Zärtlichkeiten auszutauschen. Sie haben nicht dieselbe Unterstützung.»
Jetzt hofft Brigitte Röösli, dass das Beispiel von Anne Will und der in Sankt Gallen lehrenden Professorin Miriam Meckel Schule macht. «Da würden wir uns freuen! Es wäre wunderbar, wenn sich da welche fänden. Es gibt ja schon eine ganze Palette schwuler Männer, die sich geoutet haben. Unter den bekannten lesbischen Frauen ist dagegen nur die ehemalige Nationalrätin Marianne Huguenin. Die ist aber in der Romandie. In der Deutschschweiz gibt es so jemanden nicht.» Röösli wünscht sich nun einen Nachahmer-Effekt. «Natürlich kann es einem schaden, aber meine Erfahrung ist, dass es nur wenige Angriffe gibt.»