Langer Schulweg«Mein Sohn versteht die Welt nicht mehr»
Obwohl Fabio* (6) direkt neben einem Primarschulhaus wohnt, soll er eine rund einen Kilometer entfernte Schule besuchen. Sein Vater legte gegen die Einteilung Rekurs ein.
Seit zwei Jahren überquert Fabio* (6) die Hauptstrasse und einen Tramübergang, um in den Kindergarten zu gelangen. Seit einem Jahr schaut er sehnsüchtig zum Schulhaus Donnerbaum in Muttenz, das er von seinem Fenster aus sehen kann und das in der unmittelbaren Nachbarschaft liegt.
Dort geht sein grösserer Bruder zur Schule. Fabio freut sich, bald einen einfacheren Schulweg zu haben und mit seinem Bruder und anderen Kindern aus dem Quartier zur Schule gehen zu können.
Doch das wird nicht passieren: Fabio wurde einem Schulhaus zugeteilt, das in der Nähe seines Kindergartens liegt. Die 20 Minuten Schulweg, die Überquerung der Hauptstrasse und des Tramübergangs bleiben Teil seines Alltags. «Mein Sohn versteht die Welt nicht mehr», sagt Fabios Vater, der gegen den Entscheid Rekurs eingelegt hat.
Die Verfassung regelt, was zumutbar ist
Die Schulzuweisung erfolge nicht willkürlich, erklärt Marianna Hersche, Leiterin der Primarstufe Muttenz: «Bei der Schuleinteilung müssen verschiedene Aspekte berücksichtigt werden. Es handelt sich dabei um einen komplexen Prozess. Ein wichtiger Punkt ist beispielsweise, dass wir gut durchmischte Klassen zusammenstellen können.»
Unter anderem werde auch die Schulwegsituation angeschaut und überprüft, ob der Weg für die Kinder zumutbar ist. Grundlage dafür sind die Bundesverfassung und Urteile des Bundesgerichts.
«Alle Eltern können gegen den Entscheid der Schulleitung Rekurs einlegen, ob dieser bewilligt wird liegt in der Kompetenz des Schulrates», so Hersche.
Zwölf Kinder aus dem Quartier sind von der Situation betroffen. «Bei Familien fliesst der Standort von Schulen natürlich auch in die Wohnplanung ein. Manche der Betroffenen haben sogar höhere Mieten in Kauf genommen, damit sie näher an einer Schule wohnen», kommentiert der Vater von Fabio. Die Betroffenen haben diese Woche einen Brief an die zuständigen Behörden verschickt, der 20 Minuten vorliegt.
«Behörden suchen keine Lösung im Sinne der Kinder»
Der rund ein Kilometer lange Kindergartenweg konnte von den Kindern «nur durch grosses Engagement der Eltern im Alltag gemeistert werden», heisst es darin. Die Familien würden den Eindruck erhalten, dass die Muttenzer Schulbehörde gar nicht nach einer Lösung im Sinne der Kinder und Familie suche.
Das bestreitet Stufenleiterin Hersche: «Wir haben im Schulhaus Donnerbaum nicht genug Platz, um eine zweite Klasse dieses Jahrgangs zu führen.» Die Chance, dass sich an der Situation etwas ändert, schätzt sie als gering ein.
Doch damit wollen sich die Familien nicht zufrieden geben: «Wir möchten das Thema auch an der nächsten Gemeindeversammlung einbringen. Zwei Jahre diesen Weg in den Kindergarten zu haben, war eine Pille, die wir schlucken konnten. Sechs weitere Jahre sind uns aber zu viel», so Fabios Vater.
*Name geändert.