BaselEhemann liess Frau ohne ihr Wissen Kind abtreiben
Ein gewalttätiger Mann zwang seine Frau zum Abbruch ihrer Schwangerschaft, von der sie nicht einmal wusste. Der Fall wirft Fragen zu den gesetzlichen Standards bei Abtreibungen auf.
Das Basler Strafgericht muss am 5. Februar über einen aussergewöhnlichen Fall urteilen. Aussergewöhnlich deshalb, weil ein strafbarer Schwangerschaftsabbruch nur höchst selten von einem Gericht beurteilt werden muss und vor allem, weil das Opfer in diesem Fall nicht einmal von seiner Schwangerschaft wusste.
Die Kosovarin T. S.* kam im Sommer 2014 im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz zu ihrem Mann M. S.* Das Paar wohnte im Basler Gundeldingerquartier zusammen mit der Mutter des kosovarischen Ehemannes. Die 26-Jährige lebte wie in einem Gefängnis. Wie in der Anklage der Staatsanwaltschaft geschildert wird, durfte sie die Wohnung nicht allein verlassen und wurde jeweils eingeschlossen, wenn ihre Schwiegermutter oder der Mann ausser Haus waren. Das Festnetztelefon hätten die Beschuldigten jeweils eingeschlossen und auch das Mobiltelefon hatte ihr ihr Gatte weggenommen.
Vorgeworfen werden dem Mann auch wiederholte Gewalt gegen seine Frau. A. S.* schüchterte seine Frau systematisch ein. Als im November 2014 ihre Monatsblutung ausblieb, erzählte sie ihrer Schwiegermutter davon. Diese erzählte ihrem Sohn sogleich, dass seine Frau schwanger sei. Zusammen schmiedeten sie ein Komplott.
«Da sie beide wussten, dass I. mit einer Abtreibung niemals einverstanden gewesen sein würde, beschlossen sie, ihr gar nicht zu sagen, dass sie schwanger ist, und eine Abtreibung gegen ihren Willen respektive in ihrer Unkenntnis durchzuführen.»
Anklageschrift
S. organisierte einen Termin bei einer Gynäkologin. In seinem Beisein stellte diese mittels Ultraschall die Schwangerschaft dann zweifelsfrei fest. «Sofort übernahm der dominant auftretende S. die Gesprächsführung und behauptete der Ärztin gegenüber, dass er und seine Frau das Kind nicht haben wollten», heisst es in der Anklage. Seine Frau sprach kein Deutsch und verstand nicht einmal ansatzweise, was ihr Mann und die Gynäkologin miteinander besprachen.
«Während der vorgegaukelten Übersetzung drohte er seiner Frau mehrfach damit, dass er ihrem Vater oder ihrem Bruder etwas antun werde, wenn sie sich der Ärztin gegenüber etwas anmerken lassen und ihre Fragen nicht einfach bejahen würde.»
Anklageschrift
Die Gynäkologin schöpfte offenbar nicht den geringsten Verdacht und gab der «unwissenden und eingeschüchterten» T. bei der dritten Konsultation das Abtreibungsmittel Cytotec.
Das Martyrium der jungen Frau, wie es die Staatsanwaltschaft nennt, endete erst, als T. sich am 11. Dezember 2014 nicht mehr anders zu helfen wusste, als aus dem Fenster laut nach Hilfe zu rufen. Eine Person habe daraufhin die Kantonspolizei verständigt, die T. schliesslich befreite.
Gesetz verlangt keinen unabhängigen Dolmetscher
«Hätte die Frauenärztin nicht einen unabhängigen Dolmetscher beiziehen sollen?», fragt das Basler Newsportal «Prime News». Die Gynäkologin hat sich mit ihrem naiven Verhalten nicht strafbar gemacht. Sie hätte aber sehr wohl Verdacht schöpfen können. Die heutigen Standards seien unbefriedigend, kritisiert Sibil Tschudin, leitende Ärztin am Universitätsspital Basel, gegenüber «Prime News». Deshalb werde dort in solchen Fällen «sehr darauf geachtet, dass eine von Angehörigen unabhängige Verständigung gewährleistet ist».
Handlungsbedarf erkennt auch Grossrätin Sarah Wyss (SP), die der Gesundheits- und Sozialkommission angehört. Sie prüft dem Newsportal zufolge aufgrund des vorliegenden Falls bereits mit einem Vorstoss an die Regierung zu gelangen. Zunächst wolle sie aber den Ausgang des Prozesses abwarten.
*Namen geändert