Ungelöst und verjährtWo ist der Fünffachmörder von Seewen?
Am 5. Juni 1976 wurden in einer Waldhütte in Seewen fünf Menschen hingerichtet. Der Mordfall Seewen ist verjährt, aber nicht vergessen. Der Verdächtige ist bis heute untergetaucht.
1976 erschütterte der Fünffachmord von Seewen SO die Schweizer Öffentlichkeit. Das Verbrechen ist bis heute ungelöst und ist das grösste ungeklärte Verbrechen der neueren Schweizer Kriminalgeschichte. Der Fall bildet den Auftakt zu einer Serie von 20 Minuten über ungelöste Mordfälle in der Region Basel.
Die Tat ist nach 30 Jahren verjährt, die Ermittlungen wurden 2006 eingestellt.
Die Tat
Am 5. Juni 1976, dem Samstag vor Pfingsten, wurden im Wochenend-Haus Waldeggli, das etwas ausserhalb der Schwarzbuben-Gemeinde Seewen liegt, das Hausbesitzer-Paar Eugen und Elsa Siegrist, Eugens Schwester Anna Westhäuser und ihre beiden Söhne Emanuel und Max Westhäuser getötet. Die Tat glich einer Hinrichtung, die Opfer wiesen Schüsse in Stirn und Brust auf, die aus kurzer Distanz abgegeben worden waren.
Die Tat blieb bis am Pfingstsonntag unbemerkt. Die Hütte lag unweit des Schiessstands, und zur Tatzeit sollen auch Jäger unterwegs gewesen sein. Am 6. Juni fand die Polizei zwischen Münchenstein und Muttenz auch den Fluchtwagen, einen grünen Opel Ascona.
20 Jahre lang waren die 13 Patronenhülsen, die von einer Winchester-Replika stammen, die einzigen verwertbaren Spuren vom Tatort. Sämtliche Ermittlungen unmittelbar nach der Tat verliefen im Sand. Hatte die Tat mit der Nazi-Vergangenheit von Annas Mann zu tun? Ging es um Industriespionage, hatte die ostdeutsche Stasi die Finger im Spiel?
Nach 20 Jahren taucht die Tatwaffe auf
Oder waren Motiv und Täter in der Familie zu suchen? Das glaubt der Autor Jacques Nordmann belegen zu können, der dieses Jahr ein Buch zum Mordfall von Seewen veröffentlicht hat. Demnach war der Mörder Carl Doser. Der Basler geriet schon früh ins Visier der Ermittler, weil er im Besitz einer Winchester-Replika war. Der damals 29-jährige Doser gab 1976 an, dass er die Waffe, die einen Defekt aufwies, auf einem Flohmarkt veräussert habe. Das war gelogen.
1996 tauchte Dosers Winchester beim Umbau der Küche in einer Wohnung in Olten, die Carl Dosers Mutter gehörte, in einer Plastiktüte auf. Darin befanden sich auch ein abgelaufener Pass Dosers und weitere Dokumente. Es war die Tatwaffe, das belegte ein ballistischer Test. Nur: Carl Doser war seit Ende der 1970er-Jahre untergetaucht und verschwunden. Nordmann geht davon aus, dass Doser Eugen Siegrists unehelicher Sohn war. Das Motiv: Doser wollte Anschluss an die Familie, was ihm aber verwehrt wurde.
Doser war zudem als Waffennarr bekannt und ein ausgeprägter Narzisst. Eine ehemalige Freundin des Tatverdächtigen erzählte dem NZZ-Folio 2011, sie habe mit Doser eines Nachmittags dessen Mutter besucht. Dabei habe er sie gebeten, ihn in den Keller zu begleiten, wo er ohne Vorwarnung einen Schuss in die Wand abfeuerte. Nur um sich danach an ihrem Schrecken zu ergötzen.
Vom Täter fehlt jede Spur
«Man geht davon aus, dass er der Täter ist», sagte der ehemalige Solothurner Kripo-Chef Urs Bartenschlager der der «Solothurner Zeitung» im letzten Interview vor seinem Ruhestand.
Selbst der Sohn des ermordeten Ehepaars, Robert Siegrist, hält dies für plausibel, wie er der «Schweiz am Wochenende» im September verriet. Autor Nordmann glaubt indes, dass die Auflösung noch kommt und Doser spätestens auf dem Sterbebett reden wird, sofern er noch lebt.
Wo aber ist Doser? Es gab Hinweise und angebliche Sichtungen in Kanada. Einst hiess es auch, er habe sich nach Afrika abgesetzt. Seit Jahrzehnten fehlt von ihm jede Spur.