Missstände auf Berner Tiermarkt«Einige Tiere hatten nicht einmal Wasser»
Auf dem Viehmarkt Foire de Chaindon in Reconvilier legen manche Halter wenig Wert auf eine artgerechte Tierhaltung.
Tierliebhaberin Beatrice B.* blutete das Herz, als sie am Montag durch den traditionellen Chaindon-Markt im bernjurassischen Reconvilier spazierte. Unter tierquälerischen Bedingungen seien dort Hunderte von Kleintieren wie Kaninchen, Hamster, Geflügel und Katzen feilgeboten worden.
«Die Tiere waren in winzige Käfige oder übereinander gestapelte Kartons gepfercht, ohne Rückzugsmöglichkeit und teilweise sogar ohne Wasser», sagt B. Für viele bedeutete das Stress pur. «Vier kleine Kätzchen waren dermassen verängstigt, dass der ganze Käfig zitterte.» Ihre Notdurft hätten sie nirgends verrichten können.
«Wie im Mittelalter»
Laut B. werden auf dem Markt viel zu junge Tiere zu lächerlichen Preisen verscherbelt und von den Käufern durch die Menge getragen. Für die Frau ist unverständlich, dass es so etwas in der Schweiz des 21. Jahrhunderts noch gibt. «Das sind Zustände wie im Mittelalter.»
Meldungen beim Tierschutz
Beim Tierschutzverein Biel-Seeland-Berner Jura ist das Problem bekannt. «Wir erhalten jedes Jahr zahlreiche Anrufe von entsetzten Besuchern», sagt Tierberaterin Elsbeth Hofer. Auch abgemagerte und ungepflegte Pferde und Rinder würden gemeldet.
Tierfreunde würden die Kleintiere aus Mitleid kaufen und danach ins Tierheim bringen. Davon rät Hofer jedoch ab. Letztlich gebe es nur eine wirksame Methode, um dem Tierleid in Reconvilier ein Ende zu bereiten: «Veterinäramt und Gemeinde müssen verstärkt Kontrollen durchführen und Verstösse gegen die Tierschutzverordnung konsequent ahnden.»
Gravierende Mängel und Strafanzeige
20 Minuten hat die Fotos von Beatrice B. dem Veterinäramt gezeigt. Der Kantonstierarzt spricht von nicht erfüllten bis fragwürdigen Platzverhältnissen. Das Amt wurde selber bereits aktiv: In den letzten Jahren hätten regelmässig Kontrollen stattgefunden. Dabei seien Mängel festgestellt worden, wie Kantonstierarzt Reto Wyss sagt: «Verkäufer, deren Tierhaltung gravierende Mängel aufwies, wurden vom Markt gewiesen und es wurde Strafanzeige eingereicht.»
Die Kantonspolizei Bern hat Ermittlungen aufgenommen. Spezialisten der Fachstelle Tierdelikte haben gemeinsam mit Mitarbeitenden des Veterinärdienstes die Verkäufer am diesjährigen Foire de Chaindon kontrolliert und mehrere Personalien aufgenommen. «Wir klären derzeit allfällige Straftatbestände ab», sagt Kapo-Sprecherin Letizia Paladino. Wie viele Anzeigen erfolgen würden, könne zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesagt werden.
Strengere Kontrollen der Veranstalter
G. E.*, der die Veranstaltung seit drei Jahren leitet, spricht von Handlungsbedarf: «Wir versuchen die Situation zu verbessern.» Bei der nächsten Ausgabe wolle er zusammen mit Mitarbeitern des Veterinärdienstes vor der Türöffnung durch den Markt gehen. «Wer seine Tiere nicht artgerecht halten kann, muss nach Hause», so der Präsident. Er verurteile solche Zustände: «Wir können jedoch nichts dafür, die Besitzer sind schuld.»
Die meisten Verkäufer seien sehr professionell und würden die Tiere entsprechend halten. Problematischer seien die kleinen, privaten Verkäufer: «Darum finden sich Problemfälle praktisch ausschliesslich auf dem Kleintiermarkt.»
* Name der Redaktion bekannt

Foire de Chaindon
Pferdemarkt, der immer grösser wurde und einer der wichtigsten in Europa war.
landwirtschaftliches Fest geblieben.
Quelle: www.lebendige-traditionen.ch
Bild: Archives de la construction moderne