Bis zu 5 Stunden am Handy«Ich finde, ich habe ein Problem»
Die 22-jährige Betül S. verbringt überdurchschnittlich viel Zeit am Handy. Den unkontrollierten Smartphone-Konsum bei Jugendlichen will das Blaue Kreuz mit einer App bekämpfen.
Betül S.* verbringt täglich bis zu fünf Stunden mit ihrem Handy. «Ich schaue Serien, game viel, schreibe mit Freunden, bin auf den Sozialen Medien und lese Online-Artikel», sagt die 22-Jährige. Allzu oft sei ihr Online-Verhalten aber auch ziel- und wahllos. Die Folge: Familie und Freunde haben das Nachsehen. «Ich finde, ich habe ein Problem», sagt S.
Um risikohaftem Handykonsum vorzubeugen, lanciert das Blaue Kreuz Bern-Solothurn-Freiburg im Herbst ein neues Projekt für Oberstufenklassen. Eine Smartphone-App soll die ungenutzte Handyzeit der Jugendlichen messen und verhindern, dass sie wie S. ihr soziales Umfeld vernachlässigen.
Der Drang nach dem Handy ist zu gross
«Bei meiner neuen Arbeit als Pflegehelferin habe ich am Nachmittag drei Stunden Pause», erzählt S. Da sei sie fast ununterbrochen am Handy. Sie wisse, dass ihr Konsumverhalten problematisch sei – der Drang jedoch sei stärker. In der Freizeit würde sie seltener am Handy kleben, doch auch dort sei das Telefon ein wichtiger Teil ihres sozialen Lebens. «Meine Freunde sind auch ständig am Smartphone.» Dadurch werde sie beeinflusst. Bei gemeinsamen Treffen würde sie öfters das Handy hervor zücken.
«Ich war handysüchtig»
Früher sei ihr Konsumverhalten noch extremer gewesen: Als sie für eine Weile arbeitslos war, habe sie bis zu acht Stunden am Handy verbracht. «Ich hatte nichts zu tun, alle waren weg, mir war langweilig», erinnert sich S. Sie gesteht: «Ich war süchtig nach dem Handy.»
Obschon ihr Online-Konsum heute «nur» noch halb so gross ist, will S. diesen weiter senken. In der Arbeitspause stellt sie das Handy nun auf Flugmodus und liest ein Buch. Auch abseits des Arbeitsplatzes habe sie schon Fortschritte erzielt. «Ich bekomme inzwischen mehr von der Realität mit und die Gespräche mit meiner Familie sind intensiver».
Impulse kontrollieren und sensibilisieren
Zweieinhalb Stunden verbringen Jugendliche heute im Schnitt täglich mit dem Smartphone. Für Markus Wildermuth, stellvertretender Stellenleiter des Blauen Kreuzes Bern-Solothurn-Freiburg, ist das bedenklich. Die App solle die Schüler sensibilisieren und sie dabei unterstützen, ihre Impulse zu kontrollieren. Den Eltern könne sie zudem helfen, Handy-Regeln aufzustellen. «Die Kinder sollen Zeit gewinnen und Alternativen zum Handykonsum finden», sagt Wildermuth. Wenn das Projekt gut laufe, werde die App sicher öffentlich gemacht.
Die App für die Oberstufenschüler hält S. für eine gute Idee. «Hätte ich in diesem Alter eine solche gehabt, würde ich jetzt sicher weniger Stunden am Handy verbringen.»
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