Fussgänger firstBern will die langsamste Stadt der Schweiz sein
Nirgends in der Schweiz gibt es mehr Tempo-20-Zonen als in Bern. Und es sollen in Zukunft noch mehr werden. Daran haben nicht alle Freude.
Das sagen Quartierbewohner zu den zukünftigen Begegnungszonen in Bern. (Video: pal)
In der Stadt Bern soll auf weiteren Quartierstrassen Tempo 20 gelten: Der Gemeinderat hat die Schaffung von zwölf neuen Begegnungszonen beschlossen und dafür einen Kredit von 290'000 Franken bewilligt. Die Zonen gingen auf Wünsche aus den jeweiligen Quartieren zurück, wie der Stadtberner Verkehrsplaner Karl Vogel sagt: «Sie schaffen mehr Lebensqualität. Kinder können auf der Strasse spielen und am Wochenende kann auch mal ein Grill auf dem Asphalt stehen.» Denn bei den Begegnungszonen haben – im Gegensatz zu den heutigen Tempo-30-Zonen – Fussgänger stets Vortritt.
Konkret will die Stadt Bern an diesen Stellen Begegnungszonen einrichten: Aarbühlstrase, Balmweg, Birkenweg, Hopfenweg/Blockweg/Cäcilienrain/Lentulusrain, Humboldtstrasse, Mayweg, Militärstrasse, Moserstrasse (Seitenarm), Morillonstrasse (Seitenarm), Jägerweg/Stockerenweg sowie Zeerlederstrasse. Des weiteren will die Stadt den Dalmaziquai in eine Begegnungszone umwandeln, um die Verkehrssicherheit zu verbessern.
«Manchmal ist langsam auch gut»
Die Begegnungszonen müssen einzeln publiziert werden. Falls keine Einsprachen eingingen, könnten alle noch dieses Jahr realisiert werden. Vogel rechnet «aus Erfahrung» nicht mit Gegenwehr: «Dort, wo wir solche Zonen einrichten, gibt es ohnehin kaum Verkehr. Die Autos fahren nur noch zum Parkieren in die Strassen.»
Mit den neu beschlossenen Zonen verfügt die Stadt Bern über 123 Begegnungszonen – mehr als jede andere Schweizer Stadt. Ist Bern damit offiziell die langsamste Stadt der Schweiz? «Manchmal ist langsam eben auch gut», so Vogel. Aber die Stadt nehme hier tatsächlich eine Vorreiterrolle ein.
Vorwurf Deckmantel
Daran haben nicht alle Freude. «Das aktuelle Temporegime von 30 km/h hat sich bewährt und muss nicht verändert werden», sagt etwa Stadtrat Oliver Berger (FDP). Eine Begegnungszone mache nur dort Sinn, wo auch viel Publikumsverkehr mit grossflächigem Querungsbedarf zu finden sei.
Er stört sich an der Stossrichtung der Stadt: «Die Verkehrsdirektion versucht schon seit langem, unter dem Deckmantel von Velooffensive, Lebensqualität, Lärmschutz und Verkehrssicherheit die Automobilisten auszubremsen.» So würden Parkplätze aufgehoben, Autospuren reduziert und das Tempo auf Hauptachsen gedrosselt, um den motorisierten Verkehr möglichst unattraktiv zu machen. «Aber nichtsdestotrotz ist die Anzahl Fahrzeuge in der Stadt Bern in den letzten Jahren durchschnittlich um etwa zwei Prozent gestiegen», so Berger. Der Stadt fehle ein übergeordnetes sachliches Verkehrskonzept, dass
alle berechtigten Interessen berücksichtige und miteinander in Einklang bringt. Berger: «Viele sind nach wie vor aufs Auto angewiesen und die Automobilität sei ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor.»
Noch mehr Begegnungszonen
Der Stadt sind die Argumente bekannt, sie will jedoch an ihrer Strategie festhalten: «Wir beabsichtigen, in den kommenden Jahren auch in anderen Quartieren solche Begegnunszonen einzurichten – sofern dies die Quartierbevölkerung wünscht», so Verkehrsplaner Vogel. Er rechnet mit rund 50 weiteren Begegnungszonen in den nächsten Jahren.
Und was sagt die Quartierbevölkerung zu den Begegnungszonen? Sie erfahren es im Video (oben).