Erwachsene Lehrlinge für Pilotprojekt gesucht

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Kanton BernErwachsene Lehrlinge für Pilotprojekt gesucht

Leute ab 25 Jahren ohne Ausbildung haben einen schweren Stand im Arbeitsmarkt. Mit dem Pilotprojekt «2. Chance auf eine 1. Ausbildung» soll Abhilfe geschaffen werden.

Katrin Freiburghaus
von
Katrin Freiburghaus
M.S. will dank dem Pilotprojekt mit 29 Jahren einen Berufsabschluss machen.

M.S. will dank dem Pilotprojekt mit 29 Jahren einen Berufsabschluss machen.

20 Minuten/kaf

Wer über 25 Jahre alt ist und noch keine Ausbildung hat, hat es im Berufsleben oft schwer. Das weiss M.S.* aus eigener Erfahrung: «Ich bin mit 17 von zu Hause ausgezogen und habe im Service gearbeitet, um über die Runden zu kommen.» Die Zeit sei schnell vorbei gegangen, plötzlich war sie Mitte zwanzig und hatte noch keine Ausbildung. «Da habe ich mich entschieden, etwas zu ändern.» Die 29-Jährige hat das Bürofachdiplom gemacht und beginnt bald ein Praktikum in einem Tourismusbüro.

Dass es dazu gekommen ist, verdankt M.S. unter anderem der Stanley Thomas Johnson Stiftung, die sie finanziell unterstützte. Damit auch andere Menschen in der gleichen oder einer ähnlichen Situation eine Ausbildung machen können, lanciert die Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Mittelschul- und Berufsbildungsamt und den Berufsberatungs- und Informationszentren der Erziehungsdirektion des Kantons Bern unter dem Namen «2. Chance auf eine 1. Ausbildung» ein Pilotprojekt, wie sie am Montagmorgen in einer gemeinsamen Mitteilung bekanntgab. Damit solle auch dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden.

30 Berner über 25 sollen eine Ausbildung machen

30 Personen sollen im Rahmen des Projekts eine Ausbildung bis zum Berufsabschluss absolvieren. Die Voraussetzungen: Sie sind älter als 25 Jahre, wohnen im Kanton Bern und verfügen über nicht über genügend Geld, um die Ausbildung selbst zu finanzieren. «Wir haben nun den Bewerbungsprozess gestartet und suchen Berner Unternehmen, die Ausbildungsplätze für ältere Lehrlinge anbieten würden», erklärt Guido Münzel, Geschäftsführer der Stanley Thomas Stiftung. Er rechne damit, dass das Projekt im Sommer 2017 anlaufe und drei bis vier Jahre dauere – «je nach Ausbildung, die die Teilnehmer wählen».

Münzel rechnet mit rund 60 Bewerbungen, wovon 30 ausgewählt werden. «Priorität haben jene Personen, die einen Berufsabschluss mit einem Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) wollen», so Münzel. Ob dieser in Form einer Lehre oder nebenberuflich gemacht wird, ist für die Auswahl hingegen nicht relevant. «Wir sind offen für alles.» Da die Ausbildung für erwachsene Lehrlinge nicht einfach ist, werden die Teilnehmer laut Münzel von einem ausgebildeten Coach der Stiftung begleitet. «Es wird auch Gruppentreffen geben, bei denen die Teilnehmer Informationen und Erfahrungen austauschen können.»

«Die Stiftung hat mein Leben verändert»

Dass eine Ausbildung in dem Alter nicht leicht ist, bestätigt auch M.S.: «Ich habe oft daran gedacht aufzugeben.» Aber sie habe sich jeweils gesagt, dass sie mit Beginn der Schule bereits den halben Weg hinter sich gebracht hat. «Der Wille muss da sein, sonst hält man nicht durch.» Dank der Unterstützung einer Gemeindemitarbeiterin ihrer Wohngemeinde und einem Stipendium der Stanley Thomas Johnson Stiftung habe sie es aber dennoch geschafft.

«Ich bin der Stiftung unendlich dankbar, sie hat mein Leben verändert», sagt M.S. Dank ihr habe sie eine einmalige Chance erhalten, sich beruflich umzuorientieren. Nun will sie weitergehen: «Ich werde mich für das Pilotprojekt bewerben, um das Handelsdiplom mit EFZ machen zu können.»

*Name der Redaktion bekannt

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