Ja zum RTVGSo knapp wie nie – 3696 Stimmen entscheiden
Abstimmungs-Krimi: Das Schweizer Stimmvolk hat die RTVG-Revision mit 50,08 Prozent angenommen.
Mit einem historisch knappen Ja von 50,08 Prozent hat das Stimmvolk am Sonntag das neue Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) angenommen.
Das neue Gebührensystem ist somit unter Dach und Fach. Die Debatte über den Service-public-Auftrag der SRG beginnt nun aber erst recht. Möglicherweise muss nachgezählt werden.
Das Resultat könnte als eines der knappsten in die Geschichte eingehen. Insgesamt stimmten rund 1'128'400 Personen Ja zum neuen RTVG, rund 1'124'700 legten ein Nein in die Urne. Einige tausend Stimmen gaben also den Ausschlag.
Deutlich Ja sagten die Stimmenden in der Romandie. Eine Ausnahme bildete der zweisprachige Kanton Wallis. In der Deutschschweiz wiederum sagten lediglich zwei Kantone Ja: Basel-Stadt und Graubünden mit je rund 51 Prozent. Die übrigen Deutschschweizer Kantone sowie der Kanton Tessin stimmten Nein.
Das Ergebnis ist derart knapp, dass eine Nachzählung fällig werden könnte. Eine solche kann aber laut Bundeskanzlei nur angeordnet werden, wenn glaubhafte Hinweise auf Unregelmässigkeiten vorliegen.
Keine Billag-Kontrollen mehr
Mit dem Ja ist nun der Weg frei für ein neues Gebührensystem: Die geräteabhängige Gebühr wird durch eine allgemeine Abgabe ersetzt. Damit will das Parlament der Tatsache Rechnung tragen, dass die meisten Haushalte über Empfangsgeräte verfügen, da Radio- und TV-Programme heute auch auf dem Handy und dem Computer empfangen werden können.
Die Anmeldung bei der Billag entfällt, und auch Kontrollen braucht es keine mehr. Während einer fünf Jahre dauernden Übergangsfrist können sich Medienabstinente von der Gebühr befreien lassen. Dauerhaft befreit sind alle Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen.
Gebührensenkung im Hintergrund
Weil es keine Schwarzseherinnen und Schwarzhörer mehr gibt, wird die Gebühr sinken - nach Angaben des Bundesrates auf rund 400 Franken. Mit Ausnahme jener Unternehmen, die einen Umsatz von über einer Million Franken generieren, müssen alle Firmen weniger bezahlen als heute.
Und doch sind die Diskussionen mit dem Ja vom Sonntag nicht zu Ende - im Gegenteil. Die Debatten um den Service public und das Programm der SRG haben eben erst begonnen. Im Departement von Medienministerin Doris Leuthard ist ein Bericht in Arbeit, der Mitte 2016 vorliegen soll.
Gegner und Befürworter des neuen RTVG fordern eine Grundsatzdiskussion ohne Tabus. «Wir müssen über den Leistungsumfang der SRG diskutieren», sagte Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler, der das Nein-Komitee angeführt hatte.
Die AZ Medien fordern die «Eingrenzung der Marktmacht der SRG». Und auch die privaten Radio- und Fernsehstationen werfen die Frage auf: «Wie viel SRG brauchen wir?»
SRG offen für Diskussion
Selbstverständlich darf man das hinterfragen», stellte Leuthard fest. Dies müsse aber unter der Berücksichtigung der Konsequenzen geschehen. Für den Bundesrat sei ein vielfältiges Medienangebot wichtig: «Medien sind für das Funktionieren der Demokratie elementar.»
SRG-Generaldirektor Roger de Weck unterstrich, dass die SRG eine Auftragnehmerin des Service public ist und nicht die Auftraggeberin. Er freue sich auf die Zukunftsdebatte über den Service public. «Die SRG wird sich offen und konstruktiv in die Debatte einbringen.» Dies sei ihre «statutarische Pflicht».
Das knappe Abstimmungsresultat widerspiegelt laut de Weck jedoch nicht den Rückhalt in der Bevölkerung: «Ich sehe keinen fehlenden Rückhalt der SRG in der Deutschschweiz.»
Die SRG werde weiterhin verschiedene Zielgruppen zu erreichen und verschiedene Bereiche abzudecken versuchen, sagte RTS-Direktor Gilles Marchand. Es brauche ein Programm für die junge und für die alte Bevölkerung.
Hier geht es zum Ticker ...
Zum Liveticker im Popup (jcg/sda)
Nachzählung nur bei Unregelmässigkeiten
Das Ergebnis zum Radio- und Fernsehgesetz ist derart knapp ausgefallen, dass eine Nachzählung fällig werden könnte. Eine solche kann aber nach Auskunft der Bundeskanzlei nur angeordnet werden, wenn glaubhafte Hinweise auf Unregelmässigkeiten vorliegen.
An dieser Bestimmung hielt das Parlament im letzten Jahr bei der jüngsten Revision des Gesetzes über die politischen Rechte fest. Es steht damit in einem gewissen Widerspruch zum Bundesgericht.