Energiekonsum«Frauen sind energiefreundlicher»
Psychologin Bernadette Sütterlin erklärt, warum Frauen die besseren Energiesparer sind und was es mit den «Treehuggern» auf sich hat.

Frauen verhielten sich energiefreundlicher als Männer, sagt Psychologin Bernadette Sütterlin, «weil sie an die zukünftigen Generationen und an die Umwelt denken».
Keystone/Gaetan BallyFrau Sütterlin, im ersten Teil unseres Interviews betonten Sie, dass Ermahnungen mit dem moralischen Zeigefinger in Sachen Energiesparen wenig nützen. Warum ist das so?
Viele möchten nicht in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt und bevormundet werden. Was das Ergreifen von energiefreundlichen Massnahmen wie etwa die Installation von Solarpanels anbelangt, so möchten vor allem jene Konsumenten, die viel Wert auf Geld, Status und Komfort legen, nicht mit den «Treehuggern» in einen Topf geworfen werden.
Treehugger?
Als Treehugger – also «Baumumarmer» – wird im Englischen der klassische Umweltschützer humorvoll bezeichnet. Statusorientierte Konsumenten möchten auf keinen Fall mit ihnen verglichen werden und würden niemals dasselbe Hybridauto kaufen, wenn dieses als Symbol für Umweltfreundlichkeit vermarktet wird. Deshalb ist es wichtig, in der Werbung und Kommunikation die spezifischen Werte der verschiedenen Konsumentengruppen anzusprechen.
Wie verhalten sich die jungen Erwachsenen?
Junge Erwachsene sind sich der Energie- und Umweltproblematik aufgrund der entsprechenden Informationsvermittlung in der Schule und durch die Medien sehr bewusst und glauben auch, dass sie durch ihr Verhalten etwas bewirken können. Doch oft setzen sie das nicht konsequent um.
Warum?
Gerade junge Menschen möchten sich heute in ihrem Lebensstil nicht einschränken lassen. Sie möchten die Welt entdecken und daher zum Beispiel nicht auf Flugreisen verzichten. Zudem sind sie von einer Vielzahl moderner Technologien und Multimedia-Geräten begleitet. Auch hier spielt der soziale Druck: Wenn alle Kollegen die Welt bereisen und immer das neuste Gadget haben, ist es schwierig, mit energiebewusstem Verhalten dagegen zu argumentieren.
Gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen?
Männer wissen meist mehr über das Thema Energie und Energiesparmassnahmen, setzen das aber weniger um. Bei den Frauen ist es umgekehrt: Sie sind eher weniger informiert, verhalten sich jedoch energiefreundlicher.
Warum ist das so?
Energiesparen ist ein emotionales Thema, mit dem sich Frauen besser identifizieren können. Es bewahrheitet sich hier vielleicht ein Klischee: Der Mann interessiert sich mehr für die technischen Aspekte, die Frau denkt an die zukünftigen Generationen und die Umwelt.
Wie sparen Sie persönlich im Alltag Energie?
Ich bin in Bezug auf verschiedenste Bereiche bemüht, mich energiefreundlich zu verhalten. Zum Beispiel achte ich darauf, regionale Produkte zu kaufen, schalte das Licht und die Geräte aus, wenn ich einen Raum verlasse, und ich benutze meist die öffentlichen Verkehrsmittel.
Das hört sich alles sehr vorbildlich an. Keine versteckten Sünden?
Bei der Raumtemperatur könnte ich noch herunterschrauben, ich bin ein wenig ein «Gfrörli» (lacht).
Sie wissen, wie die Konsumenten ticken. Gibt es noch Hoffnung, in Zukunft substanzielle Energieeinsparungen zu erreichen?
Es wird entscheidend sein, jene Personen, die sich noch nicht für Energiesparmassnahmen interessieren oder sich dagegen wehren, ins Boot zu holen. Dabei ist es zentral, dass die Kommunikationsmassnahmen gezielt den jeweiligen Wertvorstellungen und Lebensstilen der unterschiedlichen Konsumentengruppen angepasst und die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.Gleichzeitig muss aber verhindert werden, dass ergriffene Sparmassnahmen negative Effekte haben, weil die Konsumenten zum Beispiel das Gefühl haben, sie könnten nun in anderen Bereichen nachlässig sein.

Bernadette Sütterlin ist Dozentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Consumer Behavior des Instituts für Umweltentscheidungen der ETH Zürich. In ihrer Forschung befasst sie sich vor allem mit der Urteils- und Entscheidungsfindung von Konsumenten im Energie- und Umweltbereich sowie der öffentlichen Wahrnehmung und Akzeptanz von Energietechnologien.