«Selbstdarstellung ist ein wichtiger Faktor»

Aktualisiert

Energiekonsum«Selbstdarstellung ist ein wichtiger Faktor»

Psychologin Bernadette Sütterlin über die Tücken des Energiesparens, Hybridautos und Effizienz als Selbstvermarktung.

P. Michel
von
P. Michel
«Seht her, ich bin eine umweltfreundliche Person»: Das Vorbildsymbol dürfte auch Bundesrätin Doris Leuthard überzeugt haben, als Dienstwagen einen Tesla Model S anzuschaffen.

«Seht her, ich bin eine umweltfreundliche Person»: Das Vorbildsymbol dürfte auch Bundesrätin Doris Leuthard überzeugt haben, als Dienstwagen einen Tesla Model S anzuschaffen.

Keystone/Anonymous

Frau Sütterlin, Sie erforschen unser Konsumverhalten im Energiebereich. Eigentlich ist es doch simpel: Alte Glühbirne raus, neue LED-Lampe rein.

Tatsächlich sind einige Massnahmen einfacher in der Umsetzung, wie beispielsweise die Verwendung von LED-Lampen, andere wiederum sind mit grösseren Anstrengungen und Eingriffen in den Lebensstil verbunden – etwa der Verzicht auf das Auto. Auch wenn viele Massnahmen simpel sind, gibt es generell ein Problem: den Rebound-Effekt. Wer zum Beispiel ein energieeffizientes Gerät kauft, könnte dazu tendieren, sich in einem anderen Bereich weniger energiefreundlich zu verhalten. Dies führt dazu, dass die positive Wirkung der zuvor ergriffenen Sparmassnahme relativiert wird und im schlimmsten Fall sogar mehr Energie verbraucht wird.

Wie kommt das?

Ein möglicher Grund für dieses Verhalten ist, dass Konsumenten eine energiefreundliche Handlung als Legitimation verstehen, in Bezug auf ein nachfolgendes Verhalten zu sündigen. In der Forschung wird dieses Phänomen «Moral Licensing» genannt.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Nehmen wir an, ich besitze ein Hybridauto. Durch das Fahren dieses Autos, einer moralisch guten Tat, fühle ich mich nun dazu berechtigt, mich moralisch verwerflich zu verhalten und zum Beispiel öfter mit dem Auto zu fahren oder grössere Distanzen zurückzulegen. Konsumenten neigen insbesondere zu solchen verzerrten Wahrnehmungen, wenn es um Verhaltensweisen geht, denen eine starke symbolische Bedeutung anhaftet. Ein Hybridauto ist zum Beispiel ein starkes Symbol für Umweltfreundlichkeit. In Studien konnten wir zeigen, dass viele Leute eine Person, die ein Hybridauto fährt, automatisch als energiefreundlicher einstufen als einen Offroad-Fahrer – auch wenn der Hybrid-Fahrer mehr als doppelt so viele Kilometer zurücklegt.

Woher kommt dieses Verhalten?

Diese «Rechtfertigungstendenz» ist relativ tief verankert und meist handelt es sich dabei um einen unbewusst ablaufenden Prozess. Ein solches Verhalten sieht ja jeder bei sich selbst in verschiedensten Bereichen im Alltag: Wenn jemand joggen war, gönnt er sich dafür danach etwas Süsses.

Welche Rolle spielt Geld bei unseren Kaufentscheidungen?

Der finanzielle Aspekt ist für einige Konsumenten zentral und für andere wiederum eher nebensächlich. Zum Beispiel sind Konsumenten, die sich allgemein durch einen sehr sparsamen, haushälterischen Lebensstil auszeichnen, gern bereit, ein energiefreundliches Verhalten zu zeigen – solange es ihnen finanzielle Vorteile bringt. Auch Personen, die Wert auf materiellen Wohlstand und Luxus legen, ergreifen Energiesparmassnahmen, sofern diese keinen negativen Einfluss auf die Lebensqualität haben.

Können alle Kaufentscheide über finanzielle Anreize gesteuert werden?

Nein, weil Geld beim Energiesparen nicht unbedingt die Hauptmotivation ist: Wie die neuere Forschung zeigt, sind symbolische Motive – das heisst, was man mit seiner Handlung über sich selbst und seinen Status aussagen kann – entscheidend. Die Selbstdarstellung, das Schaffen eines positiven Images etwa durch den Kauf eines Elektroautos, kann also ein wichtiger Antriebsfaktor sein. So kann man gegen aussen das Signal senden: Seht her, ich bin eine umweltfreundliche Person, ein Vorbild.

Ist Energiesparen Bestandteil der Selbstvermarktung?

Ja, für gewisse Konsumenten ist das sicher so. Wir orientieren uns ja stark daran, was unsere Mitmenschen über uns denken. So entsteht auch ein gewisser sozialer Druck. Einen Offroad-Fahrer wird man natürlich nicht von einem energiefreundlichen Auto überzeugen können, indem man hervorhebt, dass er dadurch seine Umweltfreundlichkeit nach aussen kommunizieren kann – aber man kann betonen, dass ein energieeffizientes Auto für Innovation und Fortschrittlichkeit steht. Wenn er sich dann für einen energieeffizienteren Offroader entscheidet, wäre das schon ein Erfolg. Ermahnungen mit dem moralischen Zeigefinger kommen nicht gut an.

Lesen Sie im zweiten Teil des Interviews, warum Frauen eher Energie sparen als Männer und was es mit den «Treehuggern» auf sich hat.

Bernadette Sütterlin ist Dozentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Consumer Behavior des Instituts für Umweltentscheidungen der ETH Zürich. In ihrer Forschung befasst sie sich vor allem mit der Urteils- und Entscheidungsfindung von Konsumenten im Energie- und Umweltbereich sowie der öffentlichen Wahrnehmung und Akzeptanz von Energietechnologien.

Deine Meinung zählt