Bundesrat Schneider-Ammann«Als Bundesrat fehlt mir die Zeit zum Einkaufen»
Laut Johann Schneider-Ammann würden die Agrarinitiativen der Landwirtschaft nur zusätzliche Regeln bringen. Die Kosten dafür müssten die Konsumenten tragen.
Bundesrat Schneider-Ammann im Interview zu den Agrarinitiativen.
Herr Bundesrat, wie kaufen Sie selber ein? Nur biologisch?
Ich kaufe sehr selten selber ein. Als Bundesrat in den letzten Jahren eigentlich gar nie. Das ist der Job meiner Frau. Ein guter Teil davon besteht sicherlich aus Bio-Produkten.
Und bei Ihrer Frau kommt auch einmal ein Stück Fleisch aus Argentinien, Uruguay oder Paraguay in den Einkaufskorb? Sie streben ja ein Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Staaten an.
Ja, der Markt Mercosur ist tatsächlich ein Thema, da hätten wir gerne einen Freihandelsvertrag – aus verschiedenen Gründen. Die Landwirtschaft gehört natürlich dazu. Meine Frau kauft das Fleisch aber seit vielen Jahren in der Metzgerei unseres kleinen Städtchens ein. Dort stammt die Fleischware aus der unmittelbaren Umgebung. Wir machen also keine extravaganten Einkaufstourismus-Übungen.
Sie machen Abstimmungskampf auf einem Bauernhof und werben gegen die Agrarinitiativen. Warum?
Es ist wichtig, dass die beiden Initiativen abgelehnt werden. Sie bergen das Risiko, dass man den Staat in die Landwirtschaft eingreifen und sie organisieren lässt. Das bedeutet Bürokratie, und zwar unheimliche Bürokratie. Das wiederum ergibt Kosten. Mit anderen Worten: Wir gehen davon aus, dass, wenn die Initiative angenommen wird, die Kosten für die Betriebe und damit die Preise für die Konsumenten in die Höhe getrieben würden. Sie können bei einer Annahme der Initiativen mit Sicherheit nicht günstiger einkaufen, weder das Normalprodukt noch das Bioprodukt würde günstiger.
Wir geben verhältnismässig immer weniger aus für Lebensmittel, nur noch rund 6 Prozent unseres Einkommens. Sollten uns fair und nachhaltig produzierte Lebensmittel nicht mehr wert sein?
Ich bin nicht der Meinung, dass ein Schweizer Haushalt mehr Geld für solche Lebensmittel ausgeben soll. Dieses Geld kann dazu gebraucht werden, die hohe Lebensqualität der Schweizer aufrecht zu erhalten. Es muss eine gute Balance geben zwischen dem Kostenaufwand für lebensnotwendige Dinge und jenen, die einem das Leben verschönern.
Migros sprach von einer Lebensmittelverteuerung um 20 Prozent bei einem Ja zu Fair Food, Economiesuisse sprach gar von 50 Prozent. Ist das bloss Panikmacherei?
Wir wollen nicht spekulieren. Eine Statistik haben wir selber keine. Aber wir können abschätzen, dass landwirtschaftliche Produkte teurer werden als heute – allein aufgrund der Tatsache, dass der Staat zusätzliche Funktionen übernehmen wird. Diese Funktionen stellen Löhne dar, diese müssen bezahlt werden, die Kosten für den Apparat würden also steigen. Diese Kosten muss jemand tragen, sie werden einfach abgewälzt aufs Produkt, das heisst schliesslich auf den Konsumenten.
Fair Food, Trinkwasser, Hornkühe, Pestizide, Massentierhaltung: Zahlreiche Volksinitiativen wollen die Agrarpolitik verändern. Ist die Schweizer Bevölkerung unzufrieden mit Ihrer Agrarpolitik?
Die Initiativen verstehe ich nicht als Pauschalkritik. Die Schweizer Bevölkerung ist mit der Regierung insgesamt zufrieden. Wir liegen bezüglich Wohlstand, Bildung und Innovation auf den Spitzenplätzen und sind im Vergleich zu anderen Staaten sehr privilegiert. Trotzdem haben solche Anliegen wie die oben erwähnten Initiativen keinen Platz, schon allein aus Kostengründen nicht. Es ist aber dennoch wichtig, über jedes einzelne Anliegen zu diskutieren und die Leute darüber aufzuklären, damit sie mit dem nötigen Wissen abstimmen gehen können. Diese Stimme muss bei all den von Ihnen erwähnten Vorlagen letztlich ablehnend sein.
Anlass
Im Rahmen des Abstimmungskampfes zu den beiden Agrarinitiativen, die am 23. September vors Volk kommen, hat Bundesrat Johann Schneider-Ammann den Hof von Ursula und Reto Streit besucht. Der Bauernhof umfasst unter anderem eine Seidenraupen-Aufzucht. Die beiden pflanzen weiter Quinoa an und besitzen Galloway-Rinder zur Fleischherstellung. Zudem betreibt das Paar auf dem 20 Hektar grossen Landstück ein kleines Bed and Breakfast. Schneider-Ammann nutzt den Hof in Rosshäusern, um zu zeigen, was innovative Landwirtschaft sei. Die beiden Agrarinitiativen würden den Bauern Hilfe bieten, die diese gar nicht brauchten, so der Bundesrat: Jeder Unternehmer soll so wirtschaften können, wie er es für richtig hält. Die beiden Vorlagen würden den Bauern nur neue Regeln auflegen, was mit grossen Kosten verbunden wäre.