3. Generation«Albaner können Deutsch, aber kaum Albanisch»
Junge Albaner in der Diaspora verlieren oft den Bezug zu ihrer Muttersprache. Die Macher der berühmten albanischen Sitcom «O sa mirë» suchen deshalb Schweiz-Albaner als Darsteller.
Anders als ihre Eltern hätten junge Albaner, die in der Diaspora aufwachsen oder hier geboren wurden, Schwierigkeiten mit ihrer Muttersprache. Das sagt Ridvan Murati, Leiter des kosovarischen Kulturzentrums in Zürich, zum schweiz-albanischen Portal Albinfo.ch. «Es ist bekannt, dass sie viele Begriffe nicht erlernen und auch die Aussprache nicht richtig beherrschen», sagt der Schauspieler aus Frenkendorf BL zu 20 Minuten. «Betroffen ist bereits die zweite Generation, obwohl ihre Eltern zu Hause vorwiegend Albanisch mit ihnen gesprochen haben. Die grössten Schwierigkeiten haben aber Albaner der dritten Generation. Sie können perfekt Deutsch, aber kaum Albanisch.»
Zwar gebe es auch in der Schweiz Schulen, die den jungen Albanern ihre Sprache näherbringen sollen. Doch die würden dem Phänomen kaum entgegenwirken können: «Mir wurde von mehreren Seiten erklärt, dass die Schulen immer weniger besucht werden», so Murati. «Vermutlich liegt es daran, dass die richtigen Anreize fehlen.»
Anreize schaffen
Einen neuen Anreiz, um Albanisch zu lernen, will nun Murati schaffen: «Sprachen erlernt man auch durch Musik oder durch Filme.» Deshalb will er die bekannte albanische Sitcom «O sa mirë» teilweise in die Schweiz holen. «Wir suchen nun sechs Personen, die als Schauspieler mitwirken wollen. Das Casting findet am 15. September in Zürich statt.»
Das Ziel sei, dass die sechs Schauspieler im Austausch mit den anderen ihr Albanisch verbessern, aber auch andere Landsleute inspirieren, sich vermehrt mit der Muttersprache auseinanderzusetzen. «Unsere Sitcom ist bereits sehr bekannt, oftmals schauen Familien gemeinsam zu. Das Mitwirken von Leuten aus der Diaspora führt dazu, dass weitere Zuschauer aus dieser Gruppe einschalten und so viel von der Muttersprache mitkriegen.»
«Wer seine Muttersprache beherrscht, beherrscht andere Sprachen besser»
Murati, der seit neun Jahren bei der Theaterfalle in Basel als Schauspieler tätig ist, stellt klar: «Es ist nicht in unserem Sinne, dass unsere Diaspora das Erlernen der jeweiligen Landessprachen verweigert. Ganz im Gegenteil: Wer seine Muttersprache beherrscht, beherrscht andere Sprachen besser. Und je mehr Sprachen man kann, desto mehr Wissen besitzt man.»
Die Handlungen der Sitcom drehten sich bisher um eine Klasse in einer privaten Hochschule. Die Schüler stammten aus verschiedenen Teilen des albanischsprachigen Raumes, was immer wieder zu Verständnisschwierigkeiten führt. «Die sechs Schauspieler aus der Diaspora werden eine eigene Klasse bilden», erklärt Murati, der selbst mitspielt und in der Schweiz als Produzent wirken wird. «In der Sitcom werden wir dann auf die beiden Klassen eingehen. Gedreht wird vorwiegend in der Schweiz und in Kosovo.»
Die neuen Folgen sollen bereits ab Oktober auf dem albanischen Sender Klan Kosova und auf Youtube zu sehen sein.
«Eltern erachten Muttersprache als nicht wichtig»
Herr Schader*, wie kommt es, dass junge Albaner in der Diaspora Schwierigkeiten mit ihrer Muttersprache haben?
Das Phänomen ist gut bekannt, nicht nur bei Albanern. Die Pflege und die Kenntnis der Muttersprache werden von vielen Eltern nicht als wichtig erachtet, da sie ihre Perspektiven und jene der Kinder nicht mehr in der Rückkehr in die Heimat, sondern in der Schweiz sehen. Das gilt für die 2. und 3. Generation noch stärker. Es spiegelt sich auch darin, dass nur noch knapp 10 Prozent aller albanischsprachigen Kinder den muttersprachlichen Unterricht besuchen. Vor dem Kosovo-Krieg waren es viel mehr. Damals hatten die Leute noch Hoffnungen auf Remigration und Aufbau einer Existenz in Kosovo.
Wie gut muss man die Muttersprache beherrschen, um andere Sprachen zu erlernen?
Allgemein gilt, dass Kompetenz der Muttersprache eine gute Voraussetzung ist, auch weitere Sprachen auf diesem Fundament aufzubauen. Bei einem bröckligen Fundament ist das weniger gut möglich. Zu beachten ist allerdings, dass mit der Zeit sehr wohl die Zweitsprache zur starken Sprache werden kann, in der sich die Kinder kompetenter fühlen.
Wie weit helfen Anreize beim Erlernen einer Sprache? Kann eine Serie ein solcher Anreiz sein?
Dass Anreize bzw. Motivation generell ein wichtiger Faktor für die Qualität des Spracherwerbs sind, ist unwidersprochen. Ob nun so eine Serie dazu viel beitragen kann, ist natürlich nicht sicher. Sie müsste jedenfalls schon ziemlichen Kultstatus unter den Jugendlichen haben. Besser wäre es, wenn unser Schulsystem gegenüber den Migrationssprachen offener wäre und die Eltern sich der Bedeutung der Pflege der Erstsprache bewusst wären.
*Basil Schader ist Germanist und Albanologe und arbeitete an der Pädagogischen Hochschule Zürich.