Pestizid-Initiative«Bundesrat setzt unsere Gesundheit aufs Spiel»
Kein Pestizid-Verbot und auch kein Gegenentwurf: Die Initianten werfen dem Bundesrat Untätigkeit im Kampf gegen das Insektensterben vor.
Der Bundesrat will den Einsatz von Glyphosat und ähnlichen Produkten auch weiterhin erlauben: In seiner am Mittwoch veröffentlichten Mitteilung empfiehlt er die Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung. Der Bundesrat argumentiert, dass das Pestizid-Verbot die Land- und Ernährungswirtschaft mit gravierenden Einschränkungen konfrontieren, das Angebot und die Vielfalt an Lebensmitteln einschränken und zu einem höheren Einkaufstourismus führen würde.
«Der Bundesrat verkennt die Wichtigkeit des Anliegens und setzt damit die Gesundheit der ganzen Schweizer Bevölkerung aufs Spiel», sagt Caspar Bijleveld, Biologe und Papiliorama-Direktor. «Der Rückgang der Biodiversität und das Bienensterben haben den Leuten klargemacht, dass wir uns in einer Sackgasse befinden.» Daher werde die Initiative auch von Leuten des ganzen politischen Spektrums unterstützt – und auch von Bauern.
«Spiel mit dem Feuer»
Es gehe nicht an, mit dem Pestizid-Verbot noch Jahrzehnte zu warten, oder ein solches gar nicht anzustreben – wie es im bundesrätlichen Aktionsplan Pflanzenschutz vorgesehen sei. «Man priorisiert wirtschaftliche Interessen und ignoriert Warnhinweise en masse», sagt Bijleveld. «Das ist ein Spiel mit dem Feuer – um die Zukunft unserer Kinder», sagt Bijleveld.
Auch der Weinbauer Jean-Denis Perrochet, der im Initiativkomitee «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» sitzt, kann die ablehnende Haltung des Bundesrates nicht verstehen. «Das Problem ist, dass die Bauern-Lobby sehr stark ist und zu viele Personen vom Subventions-Tropf abhängig sind», sagt Perrochet. Das ambitiöse Vorhaben verlange aber auch von den Bauern ein Umdenken.
«Die landwirtschaftlichen Betriebe werden sicher kleiner werden, aber dafür umweltschonender produzieren», sagt Perrochet. Gemüse oder Früchte würden aber auch in Zukunft nicht zum Luxusprodukt, trotzdem werde sich die ganzjährige Verfügbarkeit von Lebensmitteln eventuell ändern. «Wir haben uns an einen Lebensmittelüberschuss gewöhnt, der überhaupt nicht nachhaltig ist», sagt Perrochet. «Bis zu 30 Prozent der Lebensmittel werden weggeworfen, das ist doch nicht normal.»
Wahlfreiheit werde eingeschränkt
Gegner der Initiative loben den Bundesrat: «Bei einer allfälligen Annahme der Pestizid-Initiative dürfte die produzierte Menge an Lebensmitteln in der Schweiz deutlich zurückgehen», sagt Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbands. Da ebenfalls nur Produkte in Bioqualität importiert werden dürften, würden die Preise entsprechend teurer werden. Nicht jeder sei bereit, bis zu 40 Prozent höhere Preise für Produkte in Bioqualität zu bezahlen. «Der Konsument wird seiner Wahlfreiheit beraubt.»
Derjenige, der es sich nicht leisten kann oder möchte, würde daher eher im Ausland einkaufen gehen. Seiner Meinung nach reiche der «Aktionsplan Pflanzenschutz» des Bundesrates aus, die Belastungen durch Pestizide zu minimieren: «51 Massnahmen haben zum Ziel, das Risiko durch Pflanzenschutzmittel um 50 Prozent zu reduzieren.»
Die Diskussion um die Initiative sehe er allerdings als Chance, um zu erklären, wieso die Landwirtschaft auf Pflanzenschutzmittel angewiesen sei. «Beispielsweise Raps oder Zuckerrüben lassen sich nur schwer ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel anbauen», sagt Ritter, der selber Biobauer ist.