Neue Parteileitung«Die SVP bleibt knüppelhart und isoliert»
Die SVP erneuert ihre Parteileitung. Laut Politologe Mark Balsiger werden vor allem Frauen, Medienstars und Hardliner gefördert.
Herr Balsiger, beschreiben Sie die neue SVP-Führung (siehe Bildstrecke) in drei Worten.
Laut, knüppelhart und isoliert. Man kann sich fragen, wie dies zur Konsenspolitik passt, die in der Schweiz eine lange Tradition hat. Bei Parlamentswahlen bringt dieser Kurs aber Erfolge.
Wird sich die SVP verändern?
Nein, sie bleibt ihrer Linie treu, das heisst, Provokationen und Tabubrüche kommen regelmässig vor. Doch das tun inzwischen ja auch andere. So sind einzelne Gegner der Durchsetzungsinitiative verbal entgleist – keine gute Entwicklung.
Céline Amaudruz gilt als politisches Leichtgewicht. Wieso wurde sie in die oberste Etage befördert?
Die SVP ist von Männern dominiert, der Frauenanteil der Bundeshausfraktion beträgt 17 Prozent. Deshalb will die Partei ihre wenigen Frauen in den Vordergrund stellen. Früher war da nur Natalie Rickli, heute sind es ein paar mehr. Es hilft sicherlich, dass Amaudruz sehr telegen und aus der Westschweiz ist. Dort ist die Partei noch nicht stark verwurzelt.
Asylpolitik macht Andreas Glarner, der in seiner Gemeinde keine Flüchtlinge wollte. Wird das die neue SVP-Linie?
Im persönlichen Gespräch ist Glarner anständig. Sobald eine Kamera läuft, legt er den Hebel um. Er hat sich einen Namen gemacht als Politiker, der knüppelhart austeilt, aber auch einstecken muss. Das scheut er nicht. Er wird die Debatte weiter vergiften.
Roger Köppel führt eine Zeitung, tritt in deutschen Talkshows auf und hat ein Nationalrats-Mandat. Hat er überhaupt Zeit für ein Amt in der Parteileitung?
Das ist die grosse Frage, denn Politik ist Knochenarbeit. Dass er als Nationalrat die Geduld hat, sich in den Kommissionen abzumühen, glaube ich nicht. Er wird sich oft vertreten lassen, aber mit seiner Bekanntheit und seiner rhetorischen Brillanz immer wieder den grossen öffentlichen Auftritt suchen.
Viele der neuen Gesichter sind Hardliner. Wären nach dem DSI-Nein nicht ein wenig Mässigung und Demut angebracht vor Volkes Willen?
Die Partei ist darauf angewiesen, mit scharf formulierten Initiativen Furore zu machen, sonst verlöre sie an Anziehungskraft und damit auch Wähleranteile. Allerdings hat sich die SVP in den letzten 20 Jahren isoliert. Im eidgenössischen Parlament ist sie heute seltener auf der Seite der Gewinner. Demut ist für mich eine wichtige Eigenschaft eines jeden Politikers, doch dies wird von vielen nicht erkannt. Leute wie Köppel und Glarner sind bekannt, haben sich durch provokative Auftritte in den Vordergrund geschoben, die Medien haben sie zu Stars gemacht.
Also ein Marketing-Entscheid?
Ja, aber auch ein Förderprogramm. Wir dürfen nicht vergessen: Andreas Glarner und Roger Köppel wurden erst im Oktober letzten Jahres in den Nationalrat gewählt. Sie sind hungrig, aber längst versiert im Umgang mit Medien. Vielleicht war dieser Hunger wichtiger als die Erfahrung eines Heinz Brand für den Posten des Asyl-Verantwortlichen. Mit den Ernennungen geht es auch um die Hackordnung innerhalb der Partei.
Immer noch in der Parteileitung ist Christoph Blocher. Kann die Partei den Übervater nicht loslassen?
Es besteht offenbar eine gegenseitige Abhängigkeit. Die Partei weiss um Blochers Verdienste und will diese honorieren. Blocher selbst macht nicht den Anschein, als könnte er sich ein Leben ohne Politik vorstellen.
Mark Balsiger ist Politologe und Wahlkampf-Experte