Geplanter Anschlag in Basel«Der IS hat keinen Grund, die Schweiz anzugreifen»
Die IS-Anschlagspläne in Basel hätten sich nicht gegen die Schweiz, sondern gegen Deutschland und Frankreich gerichtet, sagt Terrorexperte Jacques Baud.
Kürzlich wurde bekannt, dass der IS plante, Öltanks am Rheinhafen in Basel anzugreifen. Der Anschlag sollte eine «ökonomische Katastrophe» auslösen. Entgegen anderer Meinungen richteten sich die Pläne des IS jedoch nicht gegen die Schweiz, sagt Terrorismusexperte Jacques Baud.
Herr Baud*, sichergestellte Daten von syrischen Kämpfern zeigten, dass der IS Öltanks am Rheinhafen in Basel angreifen wollte...
Halt. Zuerst einmal muss gesagt werden, dass es sich bei den Daten laut den Informationen, die mir zur Verfügung stehen, nicht um Anschlagspläne handelt, sondern um einen sogenannten Zielkatalog. Also eine Übersicht mit möglichen Zielen. Konkrete Vorbereitungshandlungen wurden keine getroffen. Dass diese Information derart aufgebauscht wurde, wäre irreführend und übertrieben.
Aber wieso gerät gerade die Schweiz ins Visier des IS?
Das tut sie eben nicht. Ich bin der Auffassung, dass der Islamische Staat keinen Grund hat, Anschläge gegen die Schweiz auszuführen. In der Vergangenheit hat sich der IS konsequent gegen Länder gerichtet, die militärisch in Syrien oder Iraq involviert waren. Also etwa die USA, Frankreich, England, Deutschland oder Schweden. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass der IS seine ideologische Ausrichtung geändert hat.
Wenn der IS tatsächlich die Schweiz angreifen wollte, wäre die schweizerische Bevölkerung im Fokus gestanden und nicht unbedingt Öltanks im Grenzgebiet. Eher wahrscheinlicher war die Idee Frankreich und Deutschland zu treffen, auch wenn das für die Schweiz Konsequenzen gehabt hätte. Aber grundsätzlich waren wir nicht das Ziel.
Heisst das also, wir können uns zurücklehnen? Uns passiert sowieso nichts?
Nein, die Schweiz ist nicht immun gegen Terror, kritische Infrastruktur und die Bevölkerung müssen geschützt werden. Aber solange die Schweiz nicht in der Koalition gegen den IS engagiert ist, wird sie auch nicht als Feind bezeichnet. Und darum auch kein Ziel.
Man kann natürlich nicht ausschliessen, dass Anschläge gegen «feindlichen Ziele» auf Schweizer Boden – beispielsweise gegen die französische oder belgische Botschaft – gerichtet werden. Aber auch das ist wenig wahrscheinlich: Ebenso gut könnte der IS diese Botschaften in Jordanien, Türkei oder Saudiarabien angreifen. Aber das tut er nicht.
Wieso nicht?
Das Ziel des IS ist es, die Bevölkerung unter Druck setzen, sodass sie einen Rückzug aus Syrien oder Irak verlangt. Voraussetzungen für eine solche Strategie sind: Erstens, die Regierung des Ziellandes muss unpopulär sein; zweitens, muss die Bevölkerung des Ziellandes direkt getroffen werden. Muster für eine solche Strategie war der Rückzug Spaniens in 2004.
Aber gehört die Schweiz nicht zum «abendländischen Westen», den der IS vernichten will?
Nein. Das hat der IS nie gesagt: Es sind nur Behauptungen von Politikern und sogenannten Experten (speziell in Frankreich und Belgien). Der IS kämpfte bereits in Irak und Syrien gegen 70 Länder – warum einen neuen Front zu eröffnen?
Das Ziel des Islamischen Staates ist es, den Westen davon abzubringen, sich militärisch, politisch, religiös und humanitär in der islamischen Welt zu engagieren. Der IS wurde in diesem Sinn nicht erfolgreich, aber die Idee bleibt immer noch sehr stark bei anderen Dschihadisten Gruppen in der islamischen Welt.
*Jacques Baud ist Terrorismusexperte, Oberst im Generalstab, ehemaliger Analyst im Strategischen Nachrichtendienst und ehemaliger Chef des UNO-Nachrichtendienst in Sudan.