Faktencheck zu IV-Detektiven sorgt für Zoff

Aktualisiert

Überwachung von VersichertenFaktencheck zu IV-Detektiven sorgt für Zoff

Die Suva hat sich in die Sozialdetektiv-Debatte eingemischt. Jungpolitiker sprechen in einem offenen Brief von «Behördenpropaganda».

J. Käser/ D. Krähenbühl
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J. Käser/ D. Krähenbühl
Die Debatte um die Sozialversicherungsdetektive ist bereits früh in vollem Gange.
Bereits im Juli hatte sich die Schweizerische Versicherungsanstalt Suva mit einem online geschalteten Faktencheck aktiv in die politische Debatte eingemischt und zersaust die Argumente der Gegner.
«Die Rolle der Suva in dieser Angelegenheit ist hochproblematisch, sie hat bereits die Gesetzgebung zu stark beeinflusst», sagt SP-Nationalrätin Silvia Schenker.
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Die Debatte um die Sozialversicherungsdetektive ist bereits früh in vollem Gange.

Keystone

Am 25. November stimmt die Schweiz darüber ab, ob Privatdetektive bei Betrugs-Verdacht auf Versicherte angesetzt werden dürfen. Betroffen sind die Invalidenversicherung, die Krankenversicherung sowie die Unfall- und die Arbeitslosenversicherung. Bereits im Juli hatte sich die Schweizerische Versicherungsanstalt Suva mit einem online geschalteten Faktencheck aktiv in die politische Debatte eingemischt. Darin zerzaust sie 13 der 15 Argumente der Gegner.

Laut der Suva wäre es etwa nicht erlaubt, Observationen vom Ehebett eines Versicherten zu machen, selbst wenn sich der Detektiv auf öffentlichem Grund befindet. Auch das Mobiltelefon eines Versicherten dürfte nicht «gehackt» werden. Mit dem Faktencheck will die Suva aufzeigen, welche Folgen das geplante Gesetz haben wird und welche Auswirkungen bloss Spekulationen der Gegner sind.

«Irreführende Darstellung»

Mit einem offenen Brief richten sich nun Politiker der Jungen GLP und Jungfreisinnige im Liberalen Komitee an die Suva. Ihr Vorwurf: Die öffentlich-rechtliche Versicherungsanstalt setze sich einseitig gegen die Interessen ihrer Versicherten ein und habe sich durch den Faktencheck mit «juristisch und politisch unhaltbaren Behauptungen» in den Abstimmungskampf eingemischt. Das Komitee fordert die Suva dazu auf, sich als Bundesunternehmen neutral zu verhalten und keine «Behördenpropaganda» zu verbreiten. Eine Abstimmungsbeschwerde ist beim Zürcher Regierungsrat hängig (siehe Box).

«Die Suva verrät ihre Versicherten», sagt Pascal Vuichard, Mitglied des Gegenkomitees und Co-Präsident der Jungen GLP. «Wir forderten schon im Juli, dass die Versicherungsanstalt den Faktencheck offline stellt, da er irreführend ist.» Komme das Gesetz durch, wäre es in Zukunft nämlich möglich, mit Drohnen Aufnahmen vom Inneren von Privathäusern zu machen, sofern der Detektiv dabei auf öffentlichem Grund stehe. Anders als im Faktencheck der Suva dargestellt, seien Observationen des Ehebetts also möglich. Privatermittler dürften mit Annahme des Gesetzes damit deutlich mehr als Polizei und Nachrichtendienst, so Vuichard.

«Suva soll keine Politik machen»

SP-Nationalrätin Silvia Schenker hat Verständnis für das Anliegen des liberalen Gegenkomitees. «Die Rolle der Suva in dieser Angelegenheit ist hochproblematisch, sie hat bereits die Gesetzgebung zu stark beeinflusst.» Die Suva berufe sich auf Tatsachen, die aus dem Gesetzestext so nicht abgeleitet werden dürften, wie etwa die Aussage, dass Schlafzimmer-Aufnahmen verboten seien.

Dass die Suva Partei für ein Gesetz ergreife, das ganz eindeutig die Privatsphäre ihrer Versicherten verletze, findet Schenker falsch. «Die Suva ist in erster Linie ihren Versicherten verpflichtet. Es ist nicht ihre Aufgabe, Politik zu machen.»

Suva will Debatte versachlichen

Auf Anfrage teilt die Suva mit, dass sie keine Kenntnis des offenen Briefs habe. Der Faktencheck beziehe sich auf Quellen wie den Bericht zur Vernehmlassung oder die Position des Bundesrates. Als grösster Schweizer Unfallversicherer sei man stark von der Vorlage betroffen, sagt Mediensprecher Serkan Isik. «Mit den geplanten Massnahmen zur Missbrauchsbekämpfung werden die Prämiengelder unserer Versicherten geschützt, was in ihrem Interesse liegt.»

Die Suva habe sich mit dem Faktencheck in die Debatte zum Observationsgesetz eingemischt, da sie sich von Gesetzesgegnern mit falschen Informationen konfrontiert sah, sagt Isik. «Der Faktencheck soll die Debatte versachlichen und unsere Position im Interesse unserer Versicherungsnehmer darlegen.» Der letztjährige Verzicht auf Observationen habe rund 5,5 Millionen Franken an ungerechtfertigte Leistungen zulasten der Versicherten zur Folge gehabt.

Versicherte würden profitieren

SVP-Ständerat Alex Kuprecht unterstützt die Position der Suva. «Es ist doch von elementarer Bedeutung, dass der staatliche Unfallversicherer aktiv die Bürger aufklärt.» Gerade die Suva mit den anderen privaten UVG-Versicherer und der IV würden in der Verantwortung stehen, dass Versicherungs-Betrugsfälle aufgeklärt werden.

Den Vorwurf der Gegner, dass in Zukunft Privatermittler von Versicherungen mehr Kompetenzen erhielten als Polizeikräfte, kontert er wie folgt: «Für eine Observation braucht es einen begründeten Anfangsverdacht.» Es gehe darum, Beweismittel für ein entsprechendes Verfahren zu sammeln, um es dem Richter vorlegen zu können.»

Das besagt das Gesetz Eine versicherte Person kann verdeckt observiert werden, sofern sich der erhärtete Verdacht ergibt, dass sie unrechtmässig Leistungen bezieht. Der Versicherungsträger darf dann Bild- und Tonaufnahmen der verdächtigen Person machen. Technische Instrumente zur Standortbestimmung hingegen bedürfen einer richterlichen Genehmigung. Eine Observation darf an höchstens 30 Tagen innerhalb von 6 Monaten erfolgen und die Person muss sich an einem allgemein zugänglichen Ort befinden oder an einem Ort, der von einem allgemein zugänglichen Platz einsehbar ist.

Das besagt das Gesetz Eine versicherte Person kann verdeckt observiert werden, sofern sich der erhärtete Verdacht ergibt, dass sie unrechtmässig Leistungen bezieht. Der Versicherungsträger darf dann Bild- und Tonaufnahmen der verdächtigen Person machen. Technische Instrumente zur Standortbestimmung hingegen bedürfen einer richterlichen Genehmigung. Eine Observation darf an höchstens 30 Tagen innerhalb von 6 Monaten erfolgen und die Person muss sich an einem allgemein zugänglichen Ort befinden oder an einem Ort, der von einem allgemein zugänglichen Platz einsehbar ist.

Die IV-Stellen und die Suva setzen derzeit keine Detektive mehr ein. Grund sind Urteile des Bundesgerichts und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Strassburg. Dessen Richter kamen zum Schluss, dass die gesetzliche Grundlage zur Überwachung von Versicherten mangelhaft sei. Das Parlament verabschiedete in der Folge im März ein Gesetz, gegen das eine Gruppe rund um die Autorin Sybille Berg erfolgreich das Referendum ergriffen hat.

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