«Schöne Landschaften werden verschandelt»

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Zersiedelungsinitiative«Schöne Landschaften werden verschandelt»

Innert 33 Jahren ist die Siedlungsfläche in 21 Kantonen explodiert. Die Initianten der Zersiedelungsinitiative sehen sich bestätigt.

E. Kempf
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E. Kempf
Die Siedlungsflächen in der Schweiz sind in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen.
Gemäss einer Studie des BFS ist die Siedlungsfläche in der West-, Zentral- und Nordschweiz zwischen 1982 und 2015 um 31 Prozent gewachsen.
Jedes Jahr wurde im Durchschnitt eine Fläche von 2700 Fussballfeldern bebaut.
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Die Siedlungsflächen in der Schweiz sind in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen.

Keystone/Lukas Lehmann

Neue Zahlen des Bundesamts für Statistik befeuern den Streit um die Zubetonierung der Schweiz. Laut BFS hat die Siedlungsfläche in der West-, Zentral- und Nordschweiz zwischen 1982–2015 um 31 Prozent zugenommen, was 2700 Fussballfeldern pro Jahr entspricht.

Diese Ergebnisse alarmieren die Initianten der Zersiedelungsinitiative, die am 10. Februar 2019 zur Abstimmung kommt. Luzian Franzini, Co-Präsident der Jungen Grünen, fühlt sich durch die Resultate bestätigt: «Die neuen Zahlen zeigen, dass die Zersiedelung ungebremst weitergeht und dass die Massnahmen aus dem revidierten Raumplanungsgesetz nicht greifen.» Mit der Volksinitiative möchten die Jungen Grünen erreichen, dass neues Bauland nur noch dann eingezont werden darf, sofern ein qualitativ vergleichbares Stück Land ausgezont wird.

Schöne Landschaften würden verschandelt

Die Fläche des bebaubaren Landes soll damit eingefroren werden. «Die Zersiedelung ist das Umweltproblem Nummer eins in der Schweiz. Sie führt dazu, dass die zurückgelegten Autokilometer pro Kopf steigen. Das schadet der Umwelt massiv», meint Franzini. Im Argumentarium für die Initiative warnen die Jungen Grünen vor den gravierenden Folgen: Die schönen Landschaften der Schweiz würden verschandelt und aufgrund verschwenderischer Bauweise würden Grünflächen geopfert.

Die Angst vor der Zubetonierung der Schweiz war bereits bei der Ecopop-Initiative 2014 ein Thema. Die Wachstumskritiker sahen in der Zuwanderung das Hauptproblem. Gegen dieses Argument wehrt sich Luzian Franzini. Er sieht den Treiber der Zersiedelung nicht in der Zuwanderung, sondern im steigenden Flächenverbrauch pro Person: «Wenn wir die vorhandenen Bauzonen effizienter nutzen, würden nicht immer mehr Grünflächen der Zersiedelung zum Opfer fallen.»

Im Parlament hatte die Initiative keine Chance. Nur die Grünen und ein Teil der SP stimmten dafür. Bundesrat und Parlament empfehlen die Initiative zur Ablehnung.

Die Zersiedelungsinitiative der Jungen Grünen will einen Bauzonen-Stopp einführen und so Kulturland schützen. Für den Bundesrat geht diese Initiative zu weit. Er befürchtet bei Annahme der Initiative eine Baulandverknappung und steigende Mietpreise. Video: SDA

«Initiative ist radikal und kontraproduktiv»

Die neuen Zahlen stimmen die Gegner nicht um. CVP-Nationalrat Thomas Egger anerkennt, dass die BFS-Zahlen zeigen, dass «zwischen Romanshorn und Genf ein unübersichtlicher Siedlungsbrei» entstanden sei. «Diese Entwicklung gibt einem zu denken.» Trotzdem hält er die starren Bestimmungen der Zersiedelungsinitiative für zu radikal und gar kontraproduktiv.

«Der Konstruktionsfehler der Initiative ist, dass sie viel zu starr ist, die Bauzonen auf ewige Zeiten einfrieren will und in die Kompetenzen der Kantone und Gemeinden eingreift.»

Für Egger ist der Handlungsbedarf zwar gegeben, das Problem der Zersiedelung werde aber bereits mit der ersten Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG) angegangen, das 2014 in Kraft trat. «Die Kantone und Gemeinden werden schon verpflichtet, die Zersiedelung zu stoppen und die Siedlungsentwicklung nach innen zu lenken.» Die Kantone und Gemeinden seien daran, diese Vorgaben umzusetzen. «Die Initiative ist deshalb überflüssig»

Für CVP-Nationalrat ist 10-Millionen-Schweiz möglich

Das RPG besagt unter anderem, dass grosse Bauzonen verkleinert werden müssen und nur so viel Bauland eingezont werden darf, wie für die nächsten 15 Jahre benötigt wird. Dazu kommt, dass neue Einzonungen regional abgestimmt werden müssen und Gemeinden nicht mehr im Alleingang entscheiden können.

Auch längerfristig hat Egger keine Bedenken, dass die Schweizer Landschaft durch Wirtschaftswachstum und Zuwanderung verschandelt würde. Laut BFS könnte die Schweiz 2035 10 Millionen Einwohner zählen. Platz habe es noch genug, sagt Egger. Er geht davon aus, dass einerseits das Verdichtungspotenzial nach innen ausgenutzt wird und andererseits mit steigenden Wohnungspreisen und zunehmend verdichteter Bauweise in den Städten ein Trend zurück aufs Land stattfinden könnte.

Mitarbeit: P. Michel

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