«Ein Desaster für SBB-Chef Andreas Meyer»

Aktualisiert

Tür-Probleme«Ein Desaster für SBB-Chef Andreas Meyer»

Die SBB wurde bereits letztes Jahr über Probleme bei Waggon-Türen informiert. Nun muss sie sich der Frage stellen, wieso sie lange nichts dagegen unternahm.

ihr
von
ihr

Die SBB habe bereits im Januar 2018 gewusst, dass bei Türen in den EW-IV-Wagen Probleme bestehen – also lange vor dem tödlichen Unfall von Baden, meldet der «SonntagsBlick». Das geht aus einem internen Dokument hervor, das auch 20 Minuten vorliegt.

Ein Ingenieur hielt fest, dass nicht überwacht werden könne, ob die Türen bei der Abfahrt geschlossen seien. Dies könne zu schwerwiegenden Unfällen führen. Abhilfe sollte ein Türblattkontrollschalter schaffen, so der Ingenieur. Diesen Juli hat die SBB begonnen, die Vorrichtung in ersten Wagen einzubauen.

Trotz dieser Sachlage sagte SBB-Chef Andreas Meyer noch vor zwei Wochen und damit nach dem Unfall von Baden, dass er von defekten Zugtüren nichts gewusst habe. Er hält an dieser Aussage fest.

SBB sieht keinen Zusammenhang

Die SBB betont, dass es in dem Dokument nicht um einen nicht funktionierenden Einklemmschutz gehe, sondern um einen Mangel, der in seltenen Fällen zu einer spaltbreit geöffneten Türe führen könne. Man habe die Öffentlichkeit schon vor mehr als einer Woche über den Mangel informiert und noch vor dem Unfall mit dem Einbau des Schalters begonnen. Ein Zwischenfall im Zusammenhang mit einer spaltbreit offenen Türe sei der SBB aktuell nicht bekannt.

Es sei nicht korrekt, dass der Einbau des Türblattkontrollschalters hinausgeschoben worden sei. Der Umsetzungsprozess für das Türverriegelungs-Meldesystem sei komplex und habe Zeit in Anspruch genommen, so ein SBB-Sprecher zu 20 Minuten.

Politik und Gewerkschaft verlangen Antworten

Die neusten Entwicklungen beschäftigen auch die Politik. Edith Graf-Litscher, Präsidentin der Verkehrskommission, hat die SBB-Chefetage auf den 2. September vorgeladen. Thema sind auch die Gründe für den tödlichen Unfall von Baden. Sie sagt: «Ich erwarte, dass die SBB-Leitung uns eine klare Auskunft über den sicherheitsrelevanten Bereich gibt und ihre Hausaufgaben endlich macht. Es kann nicht sein, dass wegen Sparmassnahmen und Effizienzsteigerungen nicht gehandelt wird.»

Wichtig sei aber, dass man deswegen nun nicht das ganze Unternehmen SBB schlechtrede, denn es verfüge insgesamt über gut ausgebildetes und motiviertes Personal.

«Dass das Unternehmen über Probleme mit Waggontüren bereits informiert war und nichts unternahm, schockiert mich. Das ist ein Desaster», sagt Jürg Hurni von der Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV). «Wir wollen von der SBB nun genau erfahren, weshalb die Sicherheitsmassnahmen nicht umgesetzt wurden und wer das entschieden hat.»

Schliesslich sei die SBB verpflichtet, die Mitarbeitenden über Sicherheitslücken zu informieren und diese zu beheben. «Nur dann kann sie das Personal ausreichend schützen.»

«SBB braucht Krisenmanager als Chef»

Für Kommunikationsspezialist Roger Huber steht fest, dass die SBB und ihr Chef einen grossen Reputationsschaden davontragen werden. Natürlich befinde sich Meyer in einer Zwickmühle: «Wenn er sagt, er habe von den Defekten gewusst, hat er ein Problem. Sagt er, er wusste nichts davon, ebenso.»

Er ortet zudem Defizite bei der Kommunikation. «Es kann nicht sein, dass man erst auf Druck von aussen auf Missstände reagiert, gegen die man zuvor trotz Gefahrenpotential nichts unternahm. Das ist keine zeitgemässe Kommunikationskultur.»

Die Kritik weist SBB-Sprecher Oli Dischoe zurück: «Die SBB hat seit dem Unfall in kurzen Abständen offen und transparent über die Untersuchungen und deren Resultat informiert.»

Deine Meinung zählt