Laura ZimmermannDie Frau, die der SVP Albträume beschert
Europhil, feministisch, SVP-Schreck: Laura Zimmermann (27) führte die Front der Gegner der Selbstbestimmungsinitiative an. Wie tickt sie?
Im schwarzen Rollkragenpulli und Jeans erscheint die Co-Präsidentin der Operation Libero wenige Tage vor der Abstimmung im Café La Stanza in Zürich. Ihr Gesicht kennt man spätestens seit ihrem Auftritt in der SRF-«Arena» zur Selbstbestimmungsinitiative, als Laura Zimmermann leidenschaftlich mit SVP-Chef Albert Rösti stritt. Auch das Inserat, das auf der Frontseite von 20 Minuten erschien und in dem Ja-Sager als «Ewiggestrige» tituliert wurden, trägt ihre Handschrift.
«Es war ein ‹gruusiger› Abstimmungskampf», sagt die Juristin, während sie ein Panino mit Tomaten und Mozzarella bestellt. Die Schlacht hat an den Nerven der 27-Jährigen gezehrt und sie am Vorabend in Tränen ausbrechen lassen. Nach ihren Auftritten erhielt sie Hassmails und wurde auf offener Strasse beschimpft. Auf der anderen Seite dankten ihr wildfremde Leute für das Engagement. «Eine Person hat mich auf der Strasse einfach umarmt», so Zimmermann.
Vom Elfenbeinturm herabgestiegen
Auf die Politik konzentrieren kann sie sich, seit sie aus ihrem akademischen Gefängnis ausgebrochen ist: Sie hat in diesem Jahr das Doktoratsstudium (Völkerrecht) geschmissen, das sie unter Helen Keller, Schweizer Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg, begonnen hatte: «Es war ein schwieriger Prozess. Aber man muss im Leben das machen, was man gern macht.» Jetzt arbeitet sie bei einer Kommunikationsagentur, die ihr politisches Engagement unterstützt.
Der Stern der Bernerin ging im Frühjahr beim Kampf gegen die No-Billag-Initiative auf, als sie die Operation Libero in der «Arena» vertrat, ebenso im Regionalfernsehen, in den Zeitungen, an unzähligen Podien – am Ende erhielt sie sogar Liebesbriefe. In Kampfeslaune bringt sie sich vor den Auftritten jeweils mit den Rappern Eminem oder Materia. Politgeograf Michael Hermann verglich Zimmermann in der No-Billag-Debatte mit einer Boxerin. Sie verbuche ihre Erfolge «im Nahkampf während den Debatten mit Kontrahenten». Sie bleibe als «spannendstes Gesicht» in den Köpfen des Stimmvolkes hängen.
«Ich war ein Rebellenkopf»
Zimmermann wuchs in Konolfingen BE in einem FDP-Haushalt auf, als ältestes von drei Kindern eines Notars und einer Kindergärtnerin. Ihre Kindheit sei wohlbehütet gewesen, sagt die Emmentalerin: «In der Schule war ich ein absoluter Streber.» Noch als Mädchen sei sie eher scheu gewesen, «frech» sei sie erst in der Teeniezeit geworden. «Ich war ein Rebellenkopf, habe natürlich auch mal gekifft.» Wer sie kenne, wisse, dass sie es auch heute noch gerne feiern gehe.
Auf Fragen zum Privatleben reagiert sie mit ihrem markanten Lachen. Solche Themen bereiten ihr weit mehr Mühe als eine Frage zu einem komplexen politischen Geschäft. Und so weicht sie bei der Frage aus, wie denn ihr Freund damit umgehe, dass sie nun im Rampenlicht stehe: «Der Freundeskreis im Allgemeinen ist ein wichtiger Rückzugsort.»
Europhil und gesellschaftsliberal
Doch wo steht Zimmermann politisch? Sie spielt damit, dass die Operation Libero keine Partei sei und sich nicht zu allen Themen äussern müsse. «Wir müssen nicht gewählt werden und können im Ton direkter sein. Das gefällt mir.» Weil die Operation Libero häufig gegen die SVP antrete, versuche man verzweifelt, die Bewegung «in die Ecke links und elitär zu stellen».
Für andere sei sie wiederum «neoliberal». Solche Diskussionen seien ihr aber reichlich egal, sagt Zimmermann. Die Schweiz sei eine Avantgarde des Rechtspopulismus gewesen, die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative ein Weckruf und die Geburtsstunde der Operation Libero: «Wir wollten uns nicht länger über die Politik beklagen, ohne etwas zu tun.»
Die Liberos seien europa- und globalisierungsfreundlich sowie gesellschaftsliberal, eine «progressive Kraft», sagt sie. Die Frage, ob die Schweiz der EU beitreten sollte, beantwortet die 27-Jährige nicht. Es sei eine langweilige, weil nicht entscheidende Frage. «Wir müssen Teil des Binnenmarkts sein. Und wir gehören auch wertemässig zur Europa. Wir müssen die Beziehung zur EU weiterentwickeln. Wir sollten bei Regelungen, die uns betreffen, auch mitbestimmen können.»
Überzeugte Feministin
Klar wird im Gespräch, dass Zimmermann überzeugte Feministin ist. «Ich rege mich zunehmend darüber auf, dass es zu wenige Frauen gibt in der Politik.» Als junge Frau habe sie fast in allen Lebensbereichen Nachteile. Frauen würden immer noch weniger verdienen, im Bewerbungsgespräch würden sie eher auf die Familienplanung angesprochen, in Chefetagen der Unternehmen seien sie untervertreten. «Man denkt sich, ‹gopfriedstutz›, sind wir ein Drittweltland?» Gleichzeitig sei sie eine Anhängerin des meritokratischen Prinzips und nicht von Quoten: «Leistung soll belohnt werden. Frauen dürften aber nicht strukturell benachteiligt werden.»
Trotzdem erfülle sie auch weibliche Klischees, sagt Zimmermann. «Mode etwa ist mir sehr wichtig. Ich gebe auch viel Geld dafür aus.» Leider sei sie im Sparen nicht sehr vorbildlich.
Gin-Tonic zum Sieg
Jetzt wird Zimmermann ihren Triumph über die SVP erst einmal so richtig feiern: Sie kündigte schon im Gespräch an, dass unabhängig vom Ausgang der Abstimmung Gin-Tonic getrunken werde. Nach dem klaren Nein muss sie die Drinks nun nicht aus Frust leeren.
Mit ihrer Mission ist sie aber noch lange nicht am Ende: Spätestens bei der Abstimmung zur Kündigung der Personenfreizügigkeit werden Zimmermann und Co. die SVP wieder ärgern. In pinken Socken – dem Markenzeichen der Liberos –, versteht sich.