Ego-Generation wehrt sich«Wir sind nicht alles Zombies»
Jugendliche von heute seien wie Zombies, die sich nur um sich selber kümmerten, sagten Experten. Der 25-jährige Maler Michael Vinkovic beweist das Gegenteil.
Herr Vinkovic, es wachse eine Zombie-Generation heran, beobachten Experten. Sind Sie auch ein solcher Zombie, dem Konflikte auf der Welt gleichgültig sind?
Nein! Wir sind nicht alles Zombies. Ich bin 25 Jahre alt und gehöre somit zwar zur Generation Y. Doch es sind nicht alles lethargische, egozentrische Wesen. Ich zum Beispiel setze mich leidenschaftlich gerne für Dinge ein und habe die Informations-Plattform Vactum.com gegründet. Den Begriff Selfie kenne ich nur vom Hörensagen. Ich stelle keine Poserbilder online, damit ich bewundert werde. Dieser Selbstdarstellungshype geht mir auf die Nerven. Darum bin ich weder auf Facebook, Instagram oder Twitter.
Stimmt es aber, dass es der Mehrheit ihrer Altersgenossen egal ist, was auf der Welt passiert, solange es sie nicht selber betrifft?
Oh ja. Man hört zwar von Krisen und Kriegen. Doch das ist alles weit weg und betrifft uns nicht direkt. Es geht uns einfach zu gut. Ich stelle fest: Das Einzige was für Männer zählt, sind Autos, Muskeln, Fussball und Geld. Viele identifizieren sich durch das Haben statt durch das Sein. Ich habe viele Kollegen, die gehen nach der Arbeit nach Hause, gamen und gehen dann saufen. Das ist doch traurig!
Und die Frauen?
Für sie zählen nur Freunde und Ausgang. Das wars dann. Eine schöne Frau zu finden ist kein Problem. Eine, die aber nicht die ganze Zeit mit einem Handy vor dem Gesicht rumläuft, fast unmöglich. Wie oft habe ich schon versucht, mit einer Frau über weltpolitische oder wirtschaftliche Themen zu diskutieren. Doch es interessiert sie einfach nicht. Sie sagen mir: Michi, du bist einfach zu kompliziert. Dabei bin ich ein einfacher und pragmatischer Mensch.
Warum ist ihrer Meinung nach ihre Generation so geworden, wie sie ist?
Ich glaube, dass die sozialen Medien uns asozial machen. Ausserdem ist unsere Generation vom Konsum völlig eingenommen. Wenn ich im Alltag Menschen sehe, die dauernd auf ihre Handys starren, sehen sie wirklich aus wie Zombies. So leblos. Sie nehmen gar nicht mehr an der Gesellschaft teil und grenzen sich aus. Das Zwischenmenschliche geht völlig verloren. Wir sind oberflächlicher geworden und haben das Gespür für die wichtigen Dinge im Leben verloren.
Sind Sie denn völlig vom Selbstdarstellungswahn befreit? Sie legen doch auch Wert auf ihr Äusseres…
Ich gehe zwar ins Fitness und ins Boxen. Aber ich identifiziere mich nicht über meinen Bizeps. Ich weiss, was essenziell ist. Wichtig ist alleine der Charakter und dass man als Bürger seine Verantwortung wahrnimmt.
Inwiefern machen Sie das?
Wie gesagt habe ich die interaktive Nachrichtenseite vactum.com gegründet. Dort schreiben ich und meine Teamkollegen Artikel zu Wirtschaft, Demokratie, Gesundheit, Technik, Musik und vieles mehr. Wir fordern Leser dazu auf, selber Artikel zu schreiben, die ihnen wichtig erscheinen. Jeder kann uns informative Beiträge, seine Projekte und Empfehlungen zukommen lassen. Wir wollen, dass Stimmen gehört werden und Bloggern eine Plattform bieten. Wir wollen dem Gefühl der Hilflosigkeit, dem Gefühl, nichts ausrichten zu können, das ich bei vielen jungen Menschen spüre, entgegenwirken. Jeden Abend nach meiner Arbeit auf dem Bau investiere ich einige Stunden in die Plattform. Ausserdem engagiere ich mich als Kantonsvertreter Thurgau für die Vollgeldinitiative. Kürzlich habe ich hierfür an einer Veranstaltung an der HSG teilgenommen. Doch die Studenten haben mich enttäuscht.
Warum?
Ich habe mich mit vielen Studenten unterhalten und war erstaunt, dass sie keine Ahnung vom Thema hatten. Vom Ausbildungsniveau sind sie mir ja überlegen, ich bin ja nur ein Bauarbeiter. Ich hatte den Eindruck, dass die Studenten einfach lernen, was ihnen vorgesetzt wird, sich aber nicht die Mühe machen, sich noch zusätzlich zu informieren. Wissen ist keine Bildungs-, sondern eine Einstellungssache.
Eine Umfrage von 20 Minuten zeigt, dass 20 Prozent der Jungen glauben, dass es gar nichts bringt, sich zu engagieren. Zu Recht?
Ein Einzelner kann wenig ausrichten, gemeinsam aber kann man etwas ausrichten. Daran glaube ich. Aber manchmal ist es schon verdammt schwer. Kürzlich hat mir mein Vater gesagt, ich solle meine Zeit doch lieber in etwas investieren, das Geld bringt. Es gibt schon Momente, in denen ich mich frage, warum ich das mache. Da investiert man so viel Zeit für so wenig Klicks.
Was ist denn ihr Antrieb?
Als Bürger hat man die Verantwortung, sich für Dinge einzusetzen, die einem wichtig sind. Es ist sinnlos, wenn man nur herumvegetiert, träge und stumpf wird.
Was wünschen Sie sich für eine junge Generation?
Ich verlange nicht, dass sie die Revolution ausrufen. Aber es wäre schön, wenn sie für Dinge, die ihnen wichtig sind, mehr Leidenschaft entwickeln und sich dafür einsetzen würden - auch wenn das einen Mehraufwand auf Kosten der Freizeit bedeutet.

«Nicht alle meiner Generation sind lethargische, egozentrische Wesen», sagt der Thurgauer Michael Vinkovic.