Kritik von ETH-ProfessorinJeder dritte Gymnasiast ist «zu dumm fürs Gymi»
Eine ETH-Professorin kritisiert das Bildungssystem der Schweiz scharf. Lehrer müssten besser ausgebildet und Schüler besser selektiert werden.
Zu viele Kinder, die eigentlich gar nicht dort hin gehören, kommen ins Gymnasium. Das findet die ETH-Professorin Elsbeth Stern. Sie nennt dazu auch gleich eine Zahl: Satte 30 Prozent an Kindern, die den Sprung geschafft haben, seien zu dumm fürs Gymi, wie die «SonntagsZeitung» schreibt. Dies mache ihr Sorgen: «Eine zunehmende Zahl von intelligenten Kindern, die von zu Hause aus nicht so gepusht werden, haben schlechtere Chancen als weniger intelligente Kinder aus Akademikerfamilien», sagt sie.
Dies zeige ein Test, den Stern an Gymnasiasten durchgeführt hat. Dabei kam heraus, dass es sogar einige Schüler mit einem IQ von 80 an ein Gymnasium geschafft haben. «Der ideale Zugang zum Gymnasium wäre, dass man schaut, wie die Kinder die ersten sechs Jahre in der Schule genutzt haben.» Sonst komme es vor, dass Eltern ihre Kinder kurzzeitig anspornen und diese daher eine bessere Leistung bringen, die sie auf längere Zeit hinweg nicht halten können.
Lehrer-Ausbildung ziehe weniger leistungsstarke Personen an
Hierfür müsse man bereits bei der Ausbildung zum Primarlehrer ansetzen. «Schweizer Bildungsforscher konnten zeigen, dass Pädagogische Hochschulen im Durchschnitt weniger leistungsstarke Leute anziehen», so Stern. Daher plädiert sie dafür, die Lehrer-Ausbildung an die Universität zu verlegen. «Der Lehrerberuf hat ein höheres Ansehen, wenn man sagt, dafür braucht es einen Universitätsabschluss, der genauso viel zählt wie der eines Arztes.»
Die Tatsache, dass viele Hochschullehrer bemängeln, dass Studenten in Mathematik oft schlechte Leistungen zeigen, erklärt sie nüchtern: «Es liegt einerseits daran, dass Kinder ins Gymnasium gehen, die nicht intelligent sind.»
«Alle mit einem IQ von 115 sollten kein Problem mit Algebra haben»
Ausserdem gelinge es manchen Lehrern nicht, den Mathe-Maturastoff gut zu vermitteln. Für Mathematik auf dieser Stufe brauche es aber keine spezielle Begabung. «Alle mit einem IQ von 115 und mehr sollten keine Probleme haben, die Algebra zu verstehen.»
Daher findet es Stern auch richtig, dass in der Schweiz weiterhin rund 20 Prozent aller Kinder ans Gymnasium gehen sollen – man müsse nur dafür sorgen, dass es sich dabei auch um die richtigen 20 Prozent handle und nicht um die falschen. «Wenn wir als Folge davon weniger intelligente Ärzte, Juristen und Lehrer haben, schadet das der ganzen Gesellschaft.»