Niemand will gegen SVP-Spitze ermitteln

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Rassismus-VorwurfNiemand will gegen SVP-Spitze ermitteln

Mit dem Inserat «Kosovaren schlitzen Schweizer auf» könnten sich die SVP-Oberen strafbar gemacht haben. Seit Monaten blockiert ein Streit zwischen zwei Staatsanwaltschaften das Verfahren.

Lukas Mäder
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Lukas Mäder
Wegen diesem Inserat, das im August erschien, streiten sich die Staatsanwaltschaften von Zürich und Bern um die Zuständigkeit: Keine der beiden will wegen Verdachts auf Rassismus ermitteln.

Wegen diesem Inserat, das im August erschien, streiten sich die Staatsanwaltschaften von Zürich und Bern um die Zuständigkeit: Keine der beiden will wegen Verdachts auf Rassismus ermitteln.

Der Fall birgt politischen Zündstoff: Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat wegen eines Zeitungsinserats vom letzten August ein Verfahren wegen Rassendiskriminierung eröffnet. Die SVP warb damals mit dem Slogan «Kosovaren schlitzen Schweizer auf» für ihre Volksinitiative gegen Masseneinwanderung. Im Fokus der Ermittlungen steht das Initiativkomitee, in dem praktisch die gesamte SVP-Parteileitung vertreten ist, darunter Parteipräsident Toni Brunner, Fraktionschef Adrian Amstutz und Vizepräsident Christoph Blocher. Doch acht Monate, nachdem Rechtsanwalt David Gibor als Vertreter mehrerer Kosovaren eine Strafanzeige eingereicht hat, kommt das Verfahren immer noch nicht vom Fleck.

Grund für den Stillstand ist eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Staatsanwaltschaften von Zürich und Bern. Keine der beiden fühlt sich für das Verfahren zuständig. Zürich argumentiert, dass das Generalsekretariat der SVP in Bern für das Inserat verantwortlich zeichne, weshalb sich der Tatort und damit die Zuständigkeit dort befinde. Bern hingegen sieht das Initiativkomitee mit Sitz im zürcherischen Flaach inhaltlich in der Verantwortung – und damit die Zürcher Behörde als zuständig.

Bundesstrafgericht müsste schlichten

Bereits zweimal gingen Schreiben zwischen den Staatsanwaltschaften hin und her. Inzwischen liegt der Fall bei der Zürcher Oberstaatsanwaltschaft, die demnächst entscheiden will, ob das Verfahren in Zürich durchgeführt wird – oder ob Bern nochmals darum ersucht werden soll. Können sich die Streithähne nicht einigen, müsste das Bundestrafgericht in Bellinzona über die Zuständigkeit entscheiden.

Bereits Ende April hatte der Leitende Zürcher Staatsanwalt Hans Maurer den Mitgliedern des Initiativkomitees mitgeteilt, dass eine Strafuntersuchung in Zürich geführt werde und sie demnächst zu einer Einvernahme vorgeladen würden. Doch dabei blieb es. Nachdem Parteipräsident Brunners Anwalt geantwortet hatte, dass sein Mandant als Wahlkampfleiter ein relevanter Ansprechpartner sei, die SVP Schweiz das Inserat geschaltet habe und die Mitglieder des Komitees gar nicht konsultiert worden seien, liess Maurer die Ermittlungen ruhen – und brachte die Gerichtsstandsfrage wieder auf. Seither steht das Verfahren still. Denn Bern stellt sich auf den Standpunkt, dass die Aussagen Brunners zu hinterfragen seien.

Schreckt Verfahren gegen Blocher ab?

Das lässt die Vermutung zu, dass sich die Staatsanwaltschaften um ein heikles politisches Verfahren drücken wollen. Denn während praktisch alle Mitglieder des Initiativkomitees als Nationalräte möglicherweise den Schutz der Immunität geniessen, war ausgerechnet der Prominenteste unter ihnen im Herbst 2011 nicht Parlamentarier: Christoph Blocher. Gegen ihn könnte die Staatsanwaltschaft ein Verfahren durchführen, ohne dazu die Bewilligung des Parlaments zu haben. Ein Gesuch an die Immunitätskommission wie im Fall des zurückgetretenen Nationalbankchefs Philipp Hildebrand wäre nicht nötig.

Der Leitende Staatsanwalt Maurer gesteht ein, dass der Fall eine politische Dimension habe. «Deswegen wollen wir den Gerichtsstand genau abklären.» Doch es gehe nicht um ein Abschieben der Zuständigkeit nach Bern. Denn im schlimmsten Fall könnte das Gericht bei einer Anklage zum Schluss kommen, dass es gar nicht zuständig sei. Dieser Ansicht widerspricht der Strafrechtler Gibor: «Untersuchungshandlungen einer kantonalen Staatsanwaltschaft bleiben selbstverständlich rechtmässig, auch wenn sich später eine ausserkantonale Gerichtszuständigkeit ergeben sollte.»

Der Hinweis Maurers auf politische Aspekte erstaunt Gibor ebenfalls. Die Staatsanwaltschaft sei zur Objektivität verpflichtet und müsse Straftaten konsequent verfolgen, sagt er. «Sie darf gerade nicht nach politischen Dimensionen Ausschau halten und hochrangige SVP-Politiker anders behandeln als gewöhnliche Bürger.» Es gehe in diesem Strafverfahren einzig darum, ob mit dem Kosovaren-Inserat die Angehörigen dieser Minderheit öffentlich herabgesetzt und deren Menschenwürde verletzt worden seien.

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