«Ich wette eine Flasche Wein, dass wir gewinnen»

Aktualisiert

Maurer über Gripen«Ich wette eine Flasche Wein, dass wir gewinnen»

VBS-Chef Ueli Maurer bereut kein Wort seiner Medienschelte im SRF. Im Gegenteil – er sei zu zahm gewesen.

J. Büchi/ S. Hehli
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J. Büchi/ S. Hehli

Herr Maurer, schlafen Sie derzeit gut?

Danke, ich schlafe immer gut. Warum meinen Sie?

Die Stimmung im Volk scheint derzeit klar gegen den Gripen zu sein: Bei einer gewichteten Umfrage von 20 Minuten sprachen sich 61 Prozent gegen den Kauf aus.

Offenbar haben Sie eine Leserschaft, die wir noch überzeugen müssen (lacht). Der Abstimmungskampf wird hart, das ist unbestritten. Aber ich bin sicher, dass wir gewinnen werden.

Würden Sie wetten? Um eine Flasche Wein?

Ja. Abgemacht.

Sie geben sich siegessicher. Ihren Auftritt in der «Rundschau» werteten aber viele Gripen-Gegner als Beleg dafür, dass die Nerven bei Ihnen blankliegen.

Dem ist nicht so, ich mag Abstimmungskämpfe sehr gerne. Ich staune manchmal etwas, welche Kritik laut wird, wenn man sich einmal getraut, einen Journalisten zu kritisieren.

Stehen Sie noch zu all Ihren Aussagen in besagtem Interview?

Ja, selbstverständlich. Vermutlich war ich sogar noch zu zahm (lacht). Ich habe einfach die Gelegenheit genutzt, um einmal meine Meinung zu sagen.

Welche Reaktionen haben Sie auf diesen Auftritt bekommen?

Ich bin buchstäblich überschwemmt worden von positivem Feedback. Auf der Strasse wurde ich angesprochen, ausserdem sind unzählige wohlwollende Mails eingegangen. Übrigens, auch die Leserkommentare in Ihrer Zeitung waren zu 80 Prozent positiv.

Sie warfen dem SRF in Bezug auf den Gripen vor, tendenziös zu berichten. Wo liegt für Sie die Grenze zwischen einer kritischen und einer tendenziösen Berichterstattung?

Tendenziös ist es dann, wenn man in einem Beitrag nur die Gegner zu Wort kommen lässt und dies auch noch verschleiert. Wenn eine Sendung einen europabekannten Armeegegner als Experten zu Wort kommen lässt, verfolgt sie eine politische Absicht. Zudem weiss jeder, der sich in Sicherheitspolitik auskennt, dass man die Schweizer Luftwaffe nicht mit der von Österreich vergleichen kann.

Was ist an diesem Vergleich so falsch? Unser östlicher Nachbar ist ähnlich gross, ebenfalls neutral – und hat nur 15 Eurofighter zur Verfügung.

Man muss ja die Geschichte kennen: Österreich durfte nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1955 keine Armee haben und erst danach wieder eine aufbauen. Zudem bestand bis 1990 auch ein Verbot von Lenkwaffen – und ein Flugzeug ohne Lenkwaffen ist kein Kampfflugzeug.

Aber braucht die Schweiz tatsächlich Flugzeuge, die andere Jets oder Ziele am Boden angreifen können?

Wir brauchen den Gripen, sonst entsteht in der Luft eine riesige Sicherheitslücke. Ein Jet schiesst nicht nur ab, sondern er kontrolliert auch, sichert den Luftraum beispielsweise während einer Konferenz. Er kann ein anderes Flugzeug dirigieren, abdrängen, Kontakt zu ihm aufnehmen. Der Luftverkehr wird jedes Jahr enger und dichter, er muss genauso kontrolliert werden wie der Verkehr am Boden. So können Zusammenstösse in der Luft verhindert werden, die Hunderte von Toten zur Folge haben können. Wir kaufen das Flugzeug primär dafür und nicht für einen Luftkrieg.

In einem Luftkrieg hätten wir sowieso keine Chance?

Wir müssten mindestens 80 statt 22 neue Flieger haben, dann hätten wir schon Chancen. Wir haben schliesslich auch die besten Piloten. Wir rechnen derzeit nicht mit einem Angriff von feindlichen Kampfflugzeugen, aber das entsprechende Know-how müssen wir erhalten. Das sehen wir nur schon, wenn wir in Richtung Krim schauen.

Wie meinen Sie das?

Die Situation in der Ukraine zeigt, dass einfach nicht der ewige Frieden ausgebrochen ist. Der Ost-West-Konflikt flackert wieder auf – wie es weitergeht, weiss niemand. Wenn Sie hundert Jahre zurückdenken, dann sehen Sie: Damals reichte ein Funke ins Pulverfass, damit ein Weltkrieg ausbrach. Es gibt keine Garantie dafür, dass keiner der Mächtigen je die Nerven verliert. Heute ist es so, dass Russland sehr stark aufgerüstet hat und dem Westen, der abgerüstet hat, überlegen ist.

Dann war die Abrüstung des Westens ein Fehler?

Meiner Meinung nach hat man zu stark abgerüstet, ja. Das sagt die Nato inzwischen auch. Sicherheit ist nicht selbstverständlich, und wer sich nicht verteidigen kann, zieht den Kürzeren.

Die schwedische Regierung hat soeben beschlossen, das Verteidigungsbudget aufgrund der Bedrohung aus Russland aufzustocken. Muss die Schweiz nachziehen?

Schweden ist viel näher an Russland, deshalb kann man die Situation nicht unmittelbar mit der Schweiz vergleichen. Aber was wir aus den letzten Jahren gelernt haben, ist, dass wir wieder ein Mobilmachungssystem brauchen, mit dem wir die Truppen rasch aufbieten können. Dafür werden wir im Zuge der Armeereform sorgen.

Auf welche Art von Konflikt stellen Sie sich denn ein?

Die Weltbevölkerung wächst stetig und braucht immer mehr Ressourcen. Ich denke, dieser Konflikt um Energie und Bodenschätze wird die nächsten Jahre dominieren. Nehmen Sie zum Beispiel Russland, das in der Arktis investiert, oder den Nahen Osten mit seinem Erdöl: Wer Ressourcen hat, hat Macht. Dann gibt es auch noch die Möglichkeit von Cyberangriffen. Die Konflikte bekommen in Zukunft ein anderes Gesicht, aber die Wahrscheinlichkeit, dass es Konflikte geben könnte, steigt wohl wieder. Wenn Sie den Fall Snowden anschauen, sind wir eigentlich schon mittendrin in einem: Die Leute werden ausspioniert, möglicherweise mit dem so gewonnenen Wissen auch beeinflusst.

Aber sind herkömmliche Kampfmittel wie Flugzeuge das Richtige, um auf solche Bedrohungen zu reagieren?

Mit den 22 Gripen machen wir nicht mehr und nicht weniger, als im Alltag eine gewisse Sicherheit in der Luft zu garantieren. Natürlich engagieren wir uns auch im Bereich der Cyberabwehr: Wir investieren in ein sicheres Netz, das man nicht knacken kann, und in Rechenzentren, in die man nicht eindringen kann.

Sie sprachen den Luftpolizeidienst an: Laut dem Armeebericht von 2010 reichen die vorhandenen F/A-18 dafür völlig aus.

Der F/A-18 reicht für den Polizeidienst – aber nur noch etwa bis 2025, falls kein Ersatz kommt.

Ihr Armeechef André Blattmann sagte im Herbst 2012 aber, die F/A-18 blieben bis mindestens 2035, vielleicht sogar bis 2040 im Einsatz. Gripen-Gegner werfen Ihnen deshalb Panikmache vor.

André Blattmann ist vom Fall ausgegangen, dass der Gripen eingeführt wird. Falls wir die neuen Flieger beschaffen können, nutzen sich die F/A-18 weniger ab und sie können noch etwas länger als bis 2025 eingesetzt werden. Das ist, wie wenn Sie zwei Autos haben, dann beanspruchen Sie nicht immer dasselbe.

Bei den bisherigen sicherheitspolitischen Abstimmungen musste die Armee nie um den Sieg zittern. Wieso ist das diesmal anders?

Bisher handelte es sich meist um Initiativen von Armee-Gegnern. Initiativen haben an der Urne einen anderen Charakter als Referenden. Dazu kommt, dass eine Reihe von Räubergeschichten das Geschäft seit Jahren begleitet. Aber wir werden am 18. Mai gewinnen, keine Frage.

Wenn nicht: Was passiert dann mit den 3,126 Milliarden für den Gripen?

Dann müssten wir in andere Systeme der Armee investieren. Wir würden also einfach andere Projekte vorziehen und beschleunigen. Beispielsweise in die Bodenluftabwehr.

Die linken Gegner des Gripen wollen das Geld lieber in Bildung, AHV oder ÖV fliessen lassen – laut Umfrage zieht dieses Argument auch bei vielen Stimmbürgern, die den neuen Kampfjets gegenüber kritisch eingestellt sind.

Dieses Argument vertreten teilweise Leute, welche die Armee seit Jahren schwächen oder abschaffen wollen. Die drei Milliarden stammen aus der Armeekasse und gehören deshalb auch der Armee. Ausserdem: Wenn Sie die drei Milliarden auf 30 Jahre verteilen, sind das pro Jahr 100 Millionen. Und das sind pro 100 Franken, die der Bund ausgibt, 14 Rappen. Damit retten Sie weder die AHV noch die Bildung, aber Sie leisten einen grossen Beitrag zur Sicherheit in der Schweiz.

Nach der Berechnung der Gripen-Gegner kostet der Kampfjet mit dem Unterhalt aber bis zu 10 Milliarden.

Diese Zahl ist völlig falsch. Wir wissen, was das Benzin, der Pilotenlohn und der Unterhalt des Gripen kostet. Wir rechnen damit, dass er während seiner Lebensdauer insgesamt etwa 6 Milliarden kosten wird. Das wären dann 28 Rappen pro 100 Franken Staatsausgaben.

Sie kämpfen mit viel Herzblut für das Geschäft – das signalisieren Sie auch mit dem Gripen-Pin, den Sie am Revers tragen. Ein Glücksbringer?

Wollen Sie auch einen? (lacht) Ich habe diesen Pin immer an. Er ist kein Glücksbringer, aber eine Möglichkeit, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Ich lege diesen Pin bis am 18. Mai nicht mehr ab – mindestens.

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