«Wer beim Basejumpen stirbt, ist selber schuld»

Aktualisiert

Patrick Kerber«Wer beim Basejumpen stirbt, ist selber schuld»

2014 sind zehn Basejumper in der Schweiz in den Tod gesprungen – zehn vermeidbare Todesfälle, wie der erfahrene Springer Patrick Kerber im Interview sagt.

von
Nicolas Saameli

Patrick Kerber, die Bilder, die Sie uns geschickt haben, sind spektakulär. Kurz vor dem Absprung müssen Sie einen unglaublichen Adrenalinkick erleben.

Genau das darf einem nicht passieren. Kurz vor einem Sprung bin ich in völliger Konzentration. Ich höre dann auf zu sprechen und überlege mir sehr genau, was ich als Nächstes tun werde. Adrenalinkicks hatte ich vor elf Jahren, als ich meine ersten Sprünge gemacht habe. Inzwischen gehe ich die Sprünge viel bewusster an.

Wieso sollte man denn basejumpen, wenn nicht für den Adrenalinkick?

Mir geht es dabei vor allem darum, die volle Kontrolle zu haben. Ich messe jeden einzelnen meiner Sprünge mit einem Laser aus und halte mich strikt an eine Flugroute, die ich mir per GPS vorbereitet habe. Wenn ich dann fliege, habe ich für ein paar Sekunden ein Gefühl von Freiheit und Perfektion.

Jedes Jahr sterben Basejumper in der Schweiz. Ist dieser Sport überhaupt noch tragbar?

99 Prozent der Unfälle geschehen aus menschlichem Versagen. Deswegen ist mir auch so wichtig, dass ich bei meinen Absprüngen keinen Adrenalinkick habe, sondern fokussiert bin. Basejumper, die sterben, weil sie sich nicht gut genug vorbereitet haben, sind selber schuld.

Wie meinen Sie das?

Der bekannteste Basejumping-Spot in der Schweiz ist das Lauterbrunnental. Dort habe ich schon übergewichtige Amerikaner gesehen, die am Abend in den Ausgang gingen und am nächsten Morgen noch halb betrunken sprangen. Wenn man sich die Statistik genauer ansieht, fällt auf, dass kaum Schweizer unter den Todesopfern sind. Das kommt davon, dass das Tal aussieht wie ein Basejumper-Paradies, aber eigentlich sehr gefährlich ist.

Was macht denn das Lauterbrunnental so gefährlich?

Beim Basejumpen gibt es zwei verschiedene Techniken. Wenn man aus grosser Höhe springt, packt man seinen Fallschirm anders und springt anders ab, als wenn man tief springt. Das Problem ist, dass viele Jumper sich tiefe Absprünge gewöhnt, die Wände im Lauterbrunnental aber relativ hoch sind. Weil die unerfahrenen Springer ihre Reissleine so schnell wie möglich ziehen, kriegen sie nicht genügend Abstand zur Wand. Wenn der Fallschirm sich dreht, kann das zu schlimmen Unfällen führen.

Wingsuit-Flieger übertrumpfen sich in letzter Zeit mit immer spektakuläreren Videos. Auch dabei sind schon viele gestorben. Wie stark ist der Druck der Sponsoren?

Aus diesem Grund fliege ich selber nur halbprofessionell. Jungs, die sich ihren Lebensunterhalt damit verdienen, setzen sich selber öfters einem grösseren Risiko aus, um spektakulärer zu fliegen. Man kann aber auch nicht die ganze Schuld den Sponsoren zuschieben. Die Entscheidung, möglichst nahe an einem Fotografen oder möglichst tief durch ein Tal zu fliegen, muss jeder für sich selber treffen.

Trotz Ihren Argumenten bleibt ein Restrisiko. Was würde Sie dazu bringen, aufzuhören?

Ich bin verheiratet und habe mit meiner Frau abgemacht, dass ich an sie denke, bevor ich springe. Wenn wir zusammen ein Kind bekommen, muss ich wohl aufhören – zumindest mit den gefährlichen Sprüngen.

Patrick Kerber

Ist mit 1900 Sprüngen einer der erfahrensten Wingsuit-Piloten der Schweiz. Er wird bei seinem gefährlichen Hobby gesponsert, arbeitet aber Vollzeit bei einem Beschriftungsunternehmen.

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