Krankenkassenprämien18-Jährige verschuldet – weil Eltern nicht zahlen
Weil die Eltern die Krankenkassenprämien nicht bezahlen, sind einige Jugendliche verschuldet, kaum sind sie mündig. Caritas fordert ein neues Gesetz.
Ein Berg Schulden zum 18. Geburtstag – und das ohne etwas dafürzukönnen. «Wir treffen immer wieder auf junge Erwachsene, die bei Erreichen der Volljährigkeit unverschuldet Krankenkassenschulden haben und für diese belangt werden», sagt Claudia Odermatt, Juristin bei der Fachstelle Schuldenberatung der Caritas Schweiz. Die Schulden würden sich auf Summen bis zu 10'000 Franken und mehr belaufen.
Der Grund: Die Eltern haben die Krankenkassenprämien des Kindes während ihrer Unterhaltspflicht nicht bezahlt. «Die Krankenkassen schrecken nicht davor zurück, diese Ausstände bei den volljährigen Jugendlichen einzutreiben», sagt Odermatt. Betroffen seien auch junge Erwachsene, die aufgrund ihrer Erstausbildung von den Eltern noch finanziert werden müssen. Der Krankenkassenverband Santésuisse bestätigt, dass junge Erwachsene ab 18 Jahren im Fall von unbezahlten Prämien automatisch gemahnt und betrieben werden (siehe Box). Konkrete Zahlen dazu gibt es allerdings keine.
«Betreibungen sind eine enorme Belastung»
«Unverschuldet überschuldet zu sein und sich bereits in sehr jungen Jahren mit Betreibungen auseinandersetzen zu müssen, ist für die Betroffenen eine enorme Belastung. Eine Betreibung bedeutet leben auf dem Existenzminimum», sagt Odermatt. Die jungen Leute könnten dann häufig die laufenden Steuern nicht bezahlen, es entstünden weitere Schulden. Caritas wie auch der Dachverband Schuldenberatung Schweiz fordern deshalb: Krankenkassen sollen bei den jungen Erwachsenen nicht mehr Prämienschulden eintreiben dürfen, für die sie nicht verantwortlich sind. Die Eltern sollen stattdessen die Schuldner bleiben. Es soll eine Gesetzesgrundlage im Bundesgesetz über die Krankenversicherung KVG geschaffen werden.
SP-Nationalrätin Bea Heim hat in der Sondersession Anfang Mai einen entsprechenden Vorstoss eingereicht. «Es kann nicht sein, dass Jugendliche ihr meist kleines Einkommen dafür aufwenden müssen, um Schulden abzutragen, die sie nicht verursacht haben», sagt die Präsidentin des Dachverband Schuldenberatung Schweiz. Der Einstieg in das Berufsleben könne erheblich erschwert werden oder bei gewissen Berufen wie Treuhänder, Rechtsanwalt, Juwelier oder Uhrmacher sogar verhindert werden. Wer erst einmal betrieben sei, finde auch kaum eine Wohnung.
Kinder können Eltern verklagen
Der Schweizer Krankenkassenverband Santésuisse hält den Vorschlag für «überlegenswert», gerade «vor dem Hintergrund, dass die Krankenversicherer keine gesetzliche Kompetenz haben, die Eltern zur Unterhaltungspflicht zu verpflichten», so Sprecher Christophe Kaempf. Nach dem Gesetz sei die 18-jährige Person die Schuldnerin, wenn diese ihre Prämie nicht bezahle. Das Gesetz gebe ihr aber die Möglichkeit, gegen die Eltern eine Klage einzureichen wegen Verletzung der Unterhaltspflicht.
«Werden die Jungen mit den Prämienausständen bei der Krankenkasse belastet, dann müssen sie ihre Eltern in die Pflicht nehmen», findet denn auch Gesundheitspolitiker Sebastian Frehner (SVP), der gegen die Schaffung einer entsprechenden Gesetzesgrundlage ist. Es sei das Recht der Krankenkassen, die Betroffenen zu betreiben.
Prämienschuldner bleibt das Kind
Krankenkassen dürfen junge Erwachsene mahnen und betreiben, wenn sie unverschuldet Krankenkassenschulden haben. Denn rechtlich ist das Kind die versicherte Partei und begründet selbständig eine Prämienpflicht.
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung besteht eine selbständige Prämienpflicht des Kindes. Aufgrund der Unterhaltspflicht müssen die Eltern die Prämien für die Kinder bezahlen. Schuldner der Prämien bleibt jedoch das Kind. Folglich kann die Krankenkasse bei Erreichen der Volljährigkeit das Kind für die ausstehenden Prämien aus der Zeit der Minderjährigkeit belangen.