«Privatsphäre ist ein Menschenrecht»

Aktualisiert

Datenschutzgesetz«Privatsphäre ist ein Menschenrecht»

Über Apps hinterlassen wir überall unsere Spuren. Diese Daten sind viel Geld wert. Schweizer Politiker fordern deshalb ein schärferes Datenschutzgesetz – bevor es zu spät ist.

J. Büchi
von
J. Büchi
Das aktuelle Datenschutzgesetz stammt aus dem Jahr 1992, als es weder Smartphones noch Apps gab.

Das aktuelle Datenschutzgesetz stammt aus dem Jahr 1992, als es weder Smartphones noch Apps gab.

Wann haben Sie das letzte Mal Sport getrieben? Welche Partei wählen Sie im Herbst? Und: Wo waren Sie eigentlich gestern Abend? Sie können nun sagen: Das geht niemanden etwas an. Möglicherweise wissen aber bereits mehr Leute darüber Bescheid, als Ihnen lieb ist. Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte, Hanspeter Thür, warnt davor, dass über elektronische Gadgets und Apps immer mehr hochsensible Daten über uns gesammelt werden.

Die Entwicklung bereitet auch Jean-Christophe Schwaab (SP) Sorgen: «Ob per Cumulus-Karte, Geo-Einstellungen auf dem Handy, über Facebook oder Fitness-Apps – überall werden Daten über uns gesammelt.» Einzeln seien diese Informationen vielleicht uninteressant. «Als Gesamtes betrachtet, ergeben sie aber ein genaues Persönlichkeitsprofil: Sie geben Aufschluss über unsere politischen und religiösen Einstellungen, unser Budget, unseren Gesundheitszustand und unsere sexuellen Vorlieben.»

Aktuelles Gesetz von 1992

Diese Informationen seien für gewisse Firmen von unschätzbarem Wert, so Schwaab. Tatsächlich stellen gewisse Krankenversicherer ihren Kunden Rabatte in Aussicht, wenn diese im Gegenzug ihre Fitnessdaten offenlegen. Es gibt sogar Stimmen, die Daten bereits als das «Erdöl des Informationszeitalters» bezeichnen. «Vor diesem Hintergrund ist es höchst problematisch, dass App-Hersteller heute praktisch eine Generalvollmacht über unsere Daten haben», so Schwaab. «Sie können sie verwenden und weiterverkaufen, wie sie wollen.»

Der SP-Politiker fordert deshalb, dass die Schweiz ihr Datenschutzgesetz verschärft – wie dies derzeit auch die Europäische Union macht. «Wenn wir nicht nachziehen, fallen wir mit unseren Sicherheitsstandards hinter unsere Nachbarländer zurück.» Dieser Meinung ist auch der Grüne Balthasar Glättli. Er verweist darauf, dass das aktuelle Datenschutzgesetz aus dem Jahr 1992 stammt. «Es ist zu einer Zeit entstanden, als Handys noch Handtaschengrösse hatten. Es ist doch absurd, dass es bis heute nie revidiert wurde!»

Hohe Geldstrafen und einfache Symbole

Schwaab betont, es brauche harte Sanktionsmöglichkeiten, damit ein Datenschutzgesetz überhaupt greifen kann. Geht es nach ihm, sollen Firmen, die Kundendaten verbotenerweise weitergeben, bis zu zehn Prozent ihres Umsatzes als Busse zahlen müssen. «Setzen wir die Limite zu tief an, kann eine Firma Datenschutzverletzungen einfach einkalkulieren.» Glättli ergänzt, es brauche auch internationale Übereinkommen: «Nur so können Firmen belangt werden, die ihren Sitz ausserhalb der Schweiz haben.»

Doch wie müsste das revidierte Gesetz konkret aussehen? Schwaab verlangt, es müsse ein grundlegender Paradigmenwechsel stattfinden. Während man heute beispielsweise auf Facebook aktiv werden muss, wenn man gewisse Inhalte vor der Öffentlichkeit verbergen will, müsse es künftig umgekehrt funktionieren. Der Nutzer soll einer Veröffentlichung oder Weitergabe von Daten explizit zustimmen müssen. Noch weiter geht Glättli. «Privatsphäre ist ein Menschenrecht. Ich bin der Meinung, dass das Recht auf die eigenen Daten deshalb unveräusserlich sein sollte.» Das hiesse: Selbst wenn der Nutzer zustimmt, dürften bestimmte persönliche Daten nicht weitergegeben werden.

Pragmatisch gibt sich Viola Amherd (CVP): «Wir brauchen eine möglichst einfache Regelung, die die Konsumenten maximal schützt.» Eine mögliche Massnahme wäre für sie die Einführung von Datenschutz-Symbolen, die zeigen, was mit den Daten geschieht. Sie könnten die langen und vielfach komplizierten AGBs ersetzen.

Nicht «blindlings» Reform anstossen

Kein Verständnis für das Vorpreschen ihrer Ratskollegen hat SVP-Nationalrätin Natalie Rickli. Punktuell müsse die Transparenz sicher verbessert werden. Es könne aber nicht sein, dass nun «blindlings» eine Mega-Reform angestossen werde: «Ich halte es da wie Montesquieu: «Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, wird besser keines erlassen.» Auch von «horrenden» Geldstrafen hält sie wenig. «Es ist sinnvoller, wenn Wirtschaft, Politik und Nutzer einen Dialog führen und so mit gesundem Menschenverstand eine Lösung finden.»

Schwaab widerspricht: «Die Technik entwickelt sich so schnell weiter, dass wir mit unseren Datenschutzbestimmungen kaum nachkommen.» Wenn das Gesetz nun nicht verschärft werde, bekämen dies die Konsumenten früher oder später zu spüren: «Dann zahlen jene, die laut Fitness-App wenig Sport machen oder ihre Daten nicht preisgeben wollen, bald mehr Krankenkassenprämien.»

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