«Die Diagnose war ein Schock für uns»

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Tag der seltenen Krankheiten«Die Diagnose war ein Schock für uns»

350'000 Kinder in der Schweiz leiden an seltenen Krankheiten. Familie Michel ist eine der betroffenen Familien, gleich beide Kinder leiden an einer unheilbaren Muskeldystrophie.

Laura Gehrig
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Laura Gehrig

20 Minuten besuchte die Famile Michel in der Lenzerheide. (Video: Laura Gehrig/Tamedia)

Anlässlich des Tages der seltenen Krankheiten besucht 20 Minuten die Familie Michel in der Lenzerheide. Die Sonne scheint, und es liegt noch genügend Schnee zum Schlitteln. Wir begleiten die Familie Michel mit ihren zwei kleinen Kindern auf eine Schlitteltour. Die junge Familie geniesst diese unbeschwerte Zeit. Doch so leicht und unbeschwert geht es bei der Familie nicht immer zu und her.

Während ihrer ersten Schwangerschaft bemerkte Mutter Angie bereits, dass etwas komisch war. Das Baby schien sich kaum zu bewegen. Die kleine Milena kam dann viel zu früh per Notkaiserschnitt auf die Welt – sie lebte, die Eltern waren überglücklich. Doch bald fiel ihnen auf, dass etwas nicht stimmte. Das Mädchen entwickelte sich nicht wie andere Kinder im gleichen Alter. Es bewegte sich weniger und krabbelte nicht.

Lebenserwartung von 30 Jahren

Als Angie ihr zweites Kind erwartete, Milena war gerade zwei Jahre alt, kam die Schreckensdiagnose der Ärzte: Die kleine Tochter leidet an einer Erbkrankheit namens Merosin-Negative Kongenitale Muskeldystrophie. Eine unheilbare Muskelschwäche, die die motorische Entwicklung stark verzögert. «Wir wussten damals nicht, was wir denken sollten und was das bedeutet. Es war ein Schock für uns», beschreibt Angie ihre Gefühle. Kinder mit dieser seltenen Krankheit werden erwartungsgemäss kaum älter als 30 Jahre.

Sofort kam die Angst, das ungeborene Kind könnte dieselbe Krankheit haben. «Die Ärzte versicherten uns jedoch, dass dieses Defizit höchst selten vorkomme, also schöpften wir neue Hoffnung», erzählt Vater Mirco. Aber auch der kleine Julian kam schwerkrank auf die Welt. Er hatte Probleme mit der Atmung und kam direkt auf die Intensivstation. Beide Kinder werden ihr Leben lang auf die Pflege der Eltern angewiesen sein.

«Jede Bewegung raubt Kraft»

Angie muss zu Hause bleiben und sich rund um die Uhr um die beiden Kinder kümmern: «Sie können nichts allein machen und brauchen für alles Hilfe. Wir gehen jede Woche in die Physiotherapie, Hippotherapie, Frühförderung und in die Logopädie. Das kostet uns viel Zeit und Kraft.» Jede Bewegung raubt der heute fünfjährigen Milena und ihrem dreijährigen Bruder Julian enorm viel Kraft. Julian kann nicht allein essen oder seinen Kopf selbständig halten.

Dass gleich beide Kinder an dieser seltenen Krankheit leiden, erschwert die Situation enorm. «Alles muss doppelt erledigt werden. Doch so wird wenigstens kein Kind benachteiligt oder weniger beachtet», erklärt der Vater. Ohne finanzielle Unterstützung wären die Pflege und die Arztkosten mit einem einzigen Gehalt nicht bezahlbar.

Die junge Familie hat ihr Schicksal mittlerweile akzeptiert und gelernt, damit zu leben. Die Krankheit der Kinder hat sie als Paar stärker gemacht. Angie und Mirco sind dankbar für ihre Kinder und all die Unterstützung, die sie aus ihrem Umfeld erfahren. Als Eltern wünschen sie sich für die Zukunft, dass ihre kleine Milena und ihr Bruder Julian trotz allem ein schönes Leben führen dürfen.

7000 seltene Krankheiten

In der Schweiz leiden gemäss dem Schweizer Förderverein für Kinder mit seltenen Krankheiten 350'000 Kinder und Jugendliche an einer seltenen Krankheit. Der Alltag der betroffenen Familien ist geprägt von Ungewissheit und unzähligen Herausforderungen. Als selten gilt eine Krankheit, wenn höchstens eine von 2000 Personen betroffen ist. Zurzeit sind 7000 solcher Krankheiten bekannt, dazu zählen geistige, körperliche und psychische Behinderungen wie Autismus, Trisomie 21 oder die Krankheit Niemann Pick. Am 28. Februar 2017 jährt sich der Tag der seltenen Krankheit zum 10. Mal.

Manuela Stier ist Geschäftsleiterin des Vereins Kinder mit seltenen Krankheiten KMSK. Im Interview spricht sie über das Leiden der Kinder und ihre Arbeit. Vidoe: Laura Gehrig

Manuela Stier ist Geschäftsleiterin des Vereins Kinder mit seltenen Krankheiten KMSK. Im Interview spricht sie über das Leiden der Kinder und ihre Arbeit. (Video: Laura Gehrig)

In der Schweiz leiden 350'000 Kinder und Jugendliche an einer seltenen Krankheit. Der Alltag der betroffenen Familien ist geprägt von Ungewissheit und unzähligen Herausforderungen, die es mit viel Mut und Lebenskraft zu meistern gilt. Der Förderverein für Kinder mit seltenen Krankheiten setzt sich für die betroffenen Kinder und ihre Familien ein. Er organisiert finanzielle Direkthilfe, verankert das Thema in der Öffentlichkeit und schafft Plattformen, um betroffene Familien miteinander zu vernetzen.

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