Hanfproteine & Co.Vegane Ernährung boomt bei Spitzensportlern
Ob Eishockeyspieler, Bodybuilder oder Marathonläufer: Immer mehr Spitzensportler ernähren sich vegan. In der Schweiz gibt es nun sogar ein spezielles Fitnesscenter für Veganer.
«Die stärksten Tiere der Welt sind Pflanzenfresser: Gorillas, Büffel, Elefanten und ich.» Mit diesem Slogan wirbt Patrik Baboumian für die deutsche Tierschutzorganisation Peta. Baboumian ist nicht irgendwer – der Bodybuilder und Strongman ist der offiziell stärkste Mann Deutschlands. Bratpfannen rollt er mit blossen Händen zusammen, als wären sie aus Papier. Telefonbücher reisst er mühelos in Fetzen. Und Baboumian ist Veganer: Er isst kein Fleisch und Fisch, weder Milchprodukte noch Eier.
Damit ist er in der Szene in guter Gesellschaft: Der ehemalige Bodybuilding-Weltmeister Alexander Dargatz lebt genauso vegan wie US-Bodybuilder Robert Cheeke, auch Box-Legende Mike Tyson ernährt sich rein pflanzlich. Gemäss einem Bericht des «Surprise»-Magazins hat im April zudem in Berlin das erste vegane Fitnessstudio Deutschlands seine Tore geöffnet.
Fitnesscenter für Veganer auch in der Schweiz
Die Entwicklung macht auch vor der Schweiz nicht Halt. Im Innerschweizer Fitnesscenter D&R-Performance können Veganer seit einiger Zeit ein Training absolvieren, das speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Das heisst: Die ganze Verpflegung ist frei von tierischen Produkten, die Themen Gesundheit und Vitalität spielen beim Coaching eine zentrale Rolle.
Mitgründer Daniel Hüsser ernährt sich selbst seit rund einem Jahr ganz ohne tierische Produkte, wie er auf Anfrage von 20 Minuten sagt. «Eine rein pflanzliche Ernährung bringt im Training nur Vorteile», ist er überzeugt. «Der Körper übersäuert weniger und regeneriert sich schneller.» Die Nachfrage sei da: «Es melden sich immer mehr Veganer bei uns – aber auch Menschen, die als Teil ihres Trainings für eine bestimmte Zeit auf tierische Produkte verzichten wollen.»
Hockeyprofi Hänni lebt seit 17 Jahren vegan
Einer, der sich schon seit vielen Jahren vegan ernährt, ist auch der langjährige Schweizer Eishockeyprofi Andreas Hänni. Als er im Alter von 18 Jahren aus ethischen Gründen beschlossen habe, auf tierische Produkte zu verzichten, sei das schon «etwas exotisch» gewesen, so der 35-Jährige, der zuletzt beim EHC Biel gespielt hat. Viele hätten das Bild von ihm – einem knapp 1,90 Meter grossen, kräftigen Profisportler – nicht mit dem gängigen Image eines Veganers zusammengebracht. Inzwischen habe sich der Zeitgeist, und mit ihm die Akzeptanz der Veganer, aber gewandelt. «Viele haben gemerkt, dass es einfach gut tut, sich vegan zu ernähren.»
Das bestätigt auch Natascha Badmann, sechsfache Gewinnerin des Ironman Hawaii. Sie lebt seit 20 Jahren vegetarisch, zeitweise auch vegan. «Ich habe gemerkt, dass ich im Training belastbarer bin, wenn ich auf Fleisch verzichte.»
Gefragte Superfoods
Vegane Ernährung boome nicht nur bei Profis, sondern auch bei Amateuren, weiss Cristina Roduner von der veganen Gesellschaft Schweiz. Ein Beispiel dafür sei die Läufergruppe Vegan-Runners Switzerland, die bereits mit mehreren Gruppen am Zürich Marathon angetreten ist. «Der Trend ist von Amerika nach Deutschland und dann in die Schweiz geschwappt.»
Den Hype bekommt auch Samuel Huber zu spüren. Sein Unternehmen Bunaroba vertreibt seit rund einem Jahr alles, was das vegane Sportlerherz höherschlagen lässt – vom Superfood-Kraftriegel bis hin zum Hanfprotein für milchfreie Shakes. «Die Nachfrage steigt laufend», freut er sich. Innerhalb eines Jahres hätten sich die monatlichen Umsätze vervielfacht.
Vitamin-B12-Mangel droht
Beatrice Conrad, diplomierte Ernährungsberaterin FH und selbst aktive Ausdauersportlerin, bestätigt, dass immer mehr Sportler auf eine vegane Ernährung umsteigen. Allerdings steht sie dem Trend kritisch gegenüber: «Kurzfristig mag dies ein Gewinn sein, unter anderem, weil man an Gewicht verliert – langfristig bilden sich bei rein veganer Ernährung aber Mängel aus.» So fehle den Veganern das Vitamin B12, zudem sei es schwierig, den Proteinbedarf zu decken.
Samuel Huber, der nach eigenen Angaben mit veganer Ernährung 20 Kilo abgenommen hat, winkt ab: «Meine Blutwerte waren noch nie so gut wie heute.» Eine vollwertige vegane Ernährung sei sicher gesünder als die typische Schweizer Küche. Und Vitamin B12 könne man notfalls auch in Tablettenform einnehmen. Natascha Badmann sagt, sie habe das Glück, dass ihr Partner Ernährungscoach sei: «Dank ihm habe ich viele Hülsenfrüchte und andere hochwertige Proteinquellen auf dem Menüplan.» Auch Hockeyprofi Andreas Hänni betont, er habe sich in seinen 17 Jahren als Veganer nie weniger leistungsfähig gefühlt als seine fleischessenden Kollegen: «Ich war immer einer der Kräftigsten.»
Der vegane Bodybuilder Patrik Baboumian mit einem Weltrekord:
Die Vegan Runners am Zürich Marathon:
Das sagt das BAG
In seinen aktuellen Ernährungsempfehlungen schreibt das Bundesamt für Gesundheit (BAG), Veganer hätten ein erhöhtes Risiko für einen Nährstoffmangel: «Auf die genügende Zufuhr von Vitamin B12 muss bei veganer Ernährung besonders geachtet werden, da dieses üblicherweise nur über tierische Produkte aufgenommen wird.» Besonders hoch sei das Risiko für einen Mangel während einer Schwangerschaft, im Wachstum oder im Alter. «Man kann diese Ernährungsform aber durchaus als eine Nischenernährungsweise
betrachten, die bei korrekter Anwendung zu einem guten gesundheitlichen Resultat führen kann.»
(jbu)