Frauen halten wenig von gendergerechter Sprache

Aktualisiert

SprachregelnFrauen halten wenig von gendergerechter Sprache

78 Prozent der Schweizer halten wenig von der geschlechtergerechten Formulierung von Texten. Auch bei Frauen ist der Widerstand gross.

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In einem Leitfaden empfiehlt die Universität Bern für E-Mails sogenannte Sparformen wie den Gender-Gap.
Auch die Bundeskanzlei besitzt einen Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren.
Darin wird etwa klargestellt, dass die Einklammerung der weiblichen Endung - etwa Bürger(in) - keine adäquate Lösung darstellt.
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In einem Leitfaden empfiehlt die Universität Bern für E-Mails sogenannte Sparformen wie den Gender-Gap.

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Die Verwendung des gendergerechten Sprachgebrauchs, etwa beim Gendersternchen (Student*innen) oder Gender-Gap (Professor_Innen), ist in der Schweiz höchst umstritten: Eine deutliche Mehrheit, nämlich 78 Prozent der Schweizer, hält nur wenig von gendergerechter Sprache. Lediglich 17 Prozent der Befragten sind davon überzeugt, dass Geschlechterstereotype durch die Sprache zementiert werden. Das zeigt eine gewichtete Umfrage von 20 Minuten zum Frauenstreik bei 11'596 Personen.

Werden die Resultate nach Geschlecht aufgeschlüsselt, fällt auf, dass auch eine grosse Mehrheit der Frauen die Verwendung der gendergerechten Sprache für überflüssig befindet. Dieser Meinung schliessen sich 87 Prozent der Männer an.

In Schweizer Institutionen und Unternehmen scheint die Thematik des gendergerechten Sprachgebrauchs jedoch angekommen zu sein. So empfahl etwa die Uni Bern in einem Sprachleitfaden die Verwendung des Gender-Gaps. Und der Versicherungsmulti Swiss Re appellierte an alle Mitarbeiter, keine «diskriminierenden» Wörter (wie etwa «Heirat», «Frau» oder «Ehemann)» zu benützen. Auch die Bundeskanzlei oder die Uni Basel rufen dazu auf, Texte geschlechtergerecht zu formulieren.

«Sprachlenkung von oben»

Nun regt sich jedoch Widerstand: Die Journalistin Regula Heinzelmann hat einen Schweizer Ableger des Vereins Deutsche Sprache (VDS) gegründet. Bereits über 34'000 Personen unterzeichneten die Online-Petition des Vereins, der gegen den «Gender-Unfug» kämpft (20 Minuten berichtete). Auch in Deutschland ist der Verein aktiv und mobilisiert Intellektuelle gegen den «zerstörerischen Eingriff in die deutsche Sprache».

Auch Heinzelmann spricht von «Sprachtyrannei» und kritisiert beim gendergerechten Sprachgebrauch die «massive Sprachlenkung von oben». Dass ein Grossteil der befragten Frauen der Sprach-Genderisierung kritisch gegenüberstehen, überrascht Heinzelmann jedoch nicht: «Wie ich fühlen sie sich auch in der männlichen Form mitgemeint.»

«Fortschritt ist Gewöhnungssache»

Anna Rosenwasser, Geschäftsführerin der Lesbenorganisation LOS, bestreitet jedoch genau das: «Den Frauen wurde beigebracht, dass sie bei Nennung des generischen Maskulinums mitgemeint seien – was aber nicht stimmt.» So würden verschiedene Studien beweisen, dass sich die Probanden etwa beim Wort «Schauspieler» eher Männer vorstellen – und nicht Frauen. Das sei aber nicht nur ein sprachliches, sondern auch ein kulturelles Phänomen, sagt Rosenwasser. Beim Begriff «Mensch» würden sich die meisten Personen ein männliches Wesen vorstellen, die Frau werde als Abweichung von der Norm wahrgenommen.

Viele Frauen würden darum nicht realisieren, dass sie von der Sprache diskriminiert werden. «Darum bin zwar enttäuscht, aber nicht überrascht, dass eine Mehrheit der befragten Frauen gendergerechte Sprache für überflüssig hält», sagt Rosenwasser. Trotz der kritischen Haltung der Frauen sei es aber trotzdem richtig, auf mehr sprachliche Geschlechtergerechtigkeit zu pochen. «Die Einführung einer gendergerechten Sprache ist zumindest zu Beginn nicht einfach. Und Fortschritt ist häufig eine Gewöhnungssache», sagt Rosenwasser. «Immerhin: Wenn sich die Leute darüber aufregen, denken sie darüber nach – und geben unseren Ideen Raum.»

Die Umfrage

11'596 Personen aus der ganzen Schweiz haben am 28. Mai online an der 20-Minuten-Umfrage zum Frauenstreik vom 14. Juni teilgenommen. Die Umfrage wurde in Zusammenarbeit mit der LeeWas GmbH der Politikwissenschaftler Lucas Leemann und Fabio Wasserfallen durchgeführt. Sie gewichteten die Umfragedaten nach demografischen, geografischen und politischen Variablen. Der Fehlerbereich liegt bei 1,6 Prozentpunkten.

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