«Die Jugendlichen sind eine Horde von Zombies»

Aktualisiert

Generation Y«Die Jugendlichen sind eine Horde von Zombies»

Anstatt dass die Jugendlichen auf der Strasse gegen Krieg und Terror protestieren, kümmern sie sich lieber um sich selber. Es wachse eine Zombie-Generation heran, sagen Experten.

von
Nicole Glaus

Zu Tausenden strömten Schweizer Jugendliche während des Irakkriegs Anfang der Nuller-Jahre auf die Strassen. In Peace-Fahnen eingewickelt und mit Trillerpfeifen im Mund protestierten sie gegen die Bush-Regierung und gegen das Leid der Kriegsopfer. Ganz nach dem Vorbild ihrer Vorgängergeneration, die in den Siebzigerjahren auf der ganzen Welt gegen den Vietnam-Krieg demonstrierte. Ihr Ziel: Die Welt zu einem besseren Ort zu machen und gegen Ungerechtigkeit anzukämpfen.

Und heute? Im Irak und in Syrien sorgt die Terrororganisation Islamischer Staat mit ihren Gräueltaten für Angst und Schrecken. Menschen werden enthauptet, Minderheiten verfolgt. Im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine sterben Zivilisten mitten in Europa. Doch die grossen Protestdemonstrationen bleiben aus. «Die heutigen Teenager sind Konflikten auf der Welt gegenüber gleichgültig», sagt Oliver Jeges, Autor des Buchs «Generation Maybe» in einem Aufsatz in der «Welt». Sie seien emotions- und willenlos. Stattdessen stehe ihr eigenes Wohl im Zentrum. «In Wahrheit ist die junge Generation eine Horde von Zombies. Sie gieren aber nicht nach Menschenfleisch, sondern nach Anerkennung, nach Wertschätzung, Lob und Liebe», so Jeges.

«Du musst dich für dein eigenes Wohl einsetzen»

Dass sich junge Leute heute weniger auf der Strasse für soziale Ungerechtigkeiten engagieren, beobachtet auch der Sozialpsychologe Christian Fichter: «Heute lautet die Botschaft für ein Individuum nicht mehr: Du musst dich maximal für das Gemeinwohl einsetzen. Sondern: Du musst dich maximal für dein eigenes Wohl einsetzen.» Eine Werthaltung, die nicht zuletzt auch durch das westliche kapitalistische Wirtschaftssystem bedingt sei.

Zudem stumpfe auch der Informationsfluss durch das Internet, soziale Netzwerke und die Medien die Jugendlichen zunehmend emotional ab: «Da wir ständig mit schlimmen Meldungen konfrontiert sind, fällt es uns schwerer, uns bei jedem einzelnen Schicksal betroffen zu fühlen.» Deshalb würden die Jugendlichen heute lernen, mit dem täglichen «Katastrophenstrom» umzugehen. «Sie nehmen es zur Kenntnis und legen es ad acta.»

Eine neue Form des Protests

Dass die Jugendlichen sich nicht mehr auf der Strasse versammeln und mit viel Lärm gegen einen Krieg demonstrieren, hat laut der Trendforscherin Mirjam Hauser mit einer gewissen Resignation zu tun: «Schweizer Jugendliche glauben nicht daran, durch Strassenproteste die Welt gross verändern zu können.»

Dies sei aber nicht mit fehlender Motivation zu begründen: «Jugendliche sind sich auch heute noch der politischen Missstände und sozialen Ungerechtigkeiten sehr bewusst - es ist keine Apathie.» Demnach würden Jugendliche heute andere Formen des Protests wählen. «Sie tun ihren Unmut etwa über Facebook oder Twittermeldungen kund oder sie suchen eine Arbeit, wo sie im kleinen Rahmen etwas bewirken können.»

Studis helfen Studis

Den Vorwurf nicht engagierter Studierender lässt Luisa Jakob, Vorstandsmitglied der Studentenschaft der Uni Bern, nicht auf sich sitzen. Gerade wenn es um die Vereinbarung von Studium und Erwerbstätigkeit geht, würden sich die Studenten vehement dafür einsetzen. «Bei der Stipendien-Initiative gingen viele Studenten sogar auf die Strasse.» Und warum ist kein grösseres Engagement für eine bessere Welt vorhanden? «Unser Verein setzt sich vor allem für Bildung und Forschung ein, da dies unsere Kernanliegen sind. Wegen der parteipolitischen Neutralität, können wir uns nicht zu weltpolitischen Themen äussern», sagt Jakob.

Dass sich junge Menschen nach wie vor engagieren, zeigen etwa Zahlen der Uni St. Gallen. Über 50 Prozent der Studierenden seien in Vereinen engagiert, die sich entweder unipolitisch oder sozial engagieren, sagt der Präsident der Studentenschaft Shin Szedlak: «Es gibt etwa die Organisation Liter of Light, wo Studenten mit PET-Flaschen Lichtanlagen in Südafrika bauen.» Demonstrieren sei somit an der Uni St. Gallen noch nie ein grosses Thema gewesen: «Vielmehr lancieren die Studenten nachhaltige Projekte und setzen sich dafür ein.»

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