Abschleppregeln für Partys spalten Frauen

Aktualisiert

«Eine Schande von Mensch»Abschleppregeln für Partys spalten Frauen

«Verführungskünstler» Matthias Pöhm erklärt Männern das Flirten – auf sexistische Weise, so Kritiker. Aktivisten rufen nun zum Boykott seines Seminars auf.

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Passanten sagen, was sie von den Anleitungen Pöhms halten.

«Man muss Frauen isolieren, wenn man mit ihnen knutschen will» oder «Frauen wollen jemanden, der ihnen zeigt, wo es langgeht»: Mit solchen Weisheiten weiht der Rhetorik-Coach Matthias Pöhm Singles in die Kunst, «Frauen elegant für sich zu gewinnen», ein. 1600 Franken kosten die zweitägigen Seminare. Im Juni findet der nächste Anlass in Zürich statt. Sein Wissen hat der 59-Jährige im Buch «Ich kann euch alle haben» zusammengefasst.

Nun rufen feministische Aktivisten zum Boykott auf. «Es gibt keinen Platz für frauenfeindliche Männer, die Frauenverachtung als Maxime propagieren und sexuelle Gewalt gegen Frauen als Kunstform verschleiern», schreibt etwa das Kollektiv Aktivistin.ch. Gewalt sei keine Kunst. Ein Aktivist schreibt, Pöhms Sprüche seien «zum Kotzen». Pöhm sei eine «Schande von Mensch» und zerstöre das Bild der «guten» Männer. «Geht es noch?»

Frauen mit Schnitzel verglichen

Pöhm bezeichnet sich selbst als «Pick-up-Artist», was er mit «Verführungskünstler» übersetzt. Auf seiner Website hat er auch Clubs im deutschsprachigen Raum danach bewertet, wie leicht man dort Frauen «kennenlernen und/oder verführen» kann. Über einen Münchner Club heisst es etwa, es gebe einen Männerüberschuss: «Da liegen 11 Schnitzel auf dem Buffet, aber 20 Leute wollen essen.» Über einen Zürcher Club heisst es, der Zicken-Faktor sei hoch. Untersucht worden sei, «wie eingebildet und unnahbar» sich die Frauen geben würden.

Solche Aussagen seien problematisch, sagt Aktivistin S. H. «Ein Nein wird damit nicht als solches akzeptiert.» Die Kategorisierung von Frauen sei höchst problematisch.

«Tun wir den Gefallen!»

Für Kritik sorgen auch weitere Anleitungen, die Pöhm vermittelt. So sagt er etwa:

• Männer, die Erfolg bei Frauen haben wollten, müssten diesen eine Fantasiewelt und eine dauerhafte romantische Partnerschaft vorspielen. «Es ist so ähnlich, wie zu wissen, dass der Weihnachtsmann nicht existiert, aber es macht Spass, den Kindern zuzuschauen, wie sie grosse feuchte Augen bekommen und so süss weiter daran glauben wollen! Also tun wir ihnen den Gefallen.»

• Pöhm gibt Anweisungen, wie Männer beim Dating vorgehen sollen und wie sie körperlichen Kontakt aufbauen sollen, denn: «Jede Frau hat eine gewisse Schwelle, ab der sie zu mehr bereit ist.»

• Pöhm rät, im Club Frauen zu «isolieren», wenn man mit ihnen knutschen wolle: «Damit sie von ihren Freundinnen nicht als Schlampe abgestempelt werden können.»

«Pöhm macht sich damit lächerlich»

Solche Aussagen schockieren die Bloggerin Ellen Girod. «Das zeigt wieder einmal, dass der Feminismus noch sehr viel zu tun hat. Als Flirtcoach katapultiert sich Herr Pöhm mit so antiquierten Aussagen ja selbst ins Aus», sagt sie. Sie vermute, dass Pöhm recht wenige Anmeldungen habe, wenn er in so tiefe Schubladen greifen müsse, um Aufmerksamkeit zu generieren.

«Den Clubbesitzern würde ich raten, ihre Türsteher darauf zu briefen, die männlichen Gäste vorab zu fragen, ob ihnen Matthias Pöhm ein Begriff ist. Bei einem Ja würde ich den Einlass verweigern», so die Betreiberin des Blogs «Chez Mama Poule».

«Spart euch diesen Kurs»

Mit seiner frauenverachtenden Gedankenwelt würde sie sich von Pöhm definitiv nicht verführen lassen, so Girod: «Allein weil er das Wort Hottie benutzt, macht er sich lächerlich.» Aus ihrer Sicht als Elternbloggerin könne sie nur hoffen, dass solche Männer ausgestorben seien, bevor ihre Kinder ins Clubalter kämen.

Girod sagt: «Liebe Männer, bitte spart euch diesen Kurs. Ich habe einen kostenlosen und bombensicheren Flirttrick für euch: Men of quality don't fear equality.»

«Männer machen immer noch den ersten Schritt»

Herr Pöhm, Feministinnen kritisieren, dass Sie sexuelle Gewalt an Frauen als Kunstform verschleiern. Auf den Karten, die Sie von Clubs machen, seien etwa Ecken eingezeichnet, um Frauen psychisch und körperlich zu bedrängen. Was sagen Sie dazu?

Das Wort «bedrängen» steht nirgendwo, das haben die feministischen Damen einfach erfunden. Es gibt eine Bewertung der Clubs nach Kriterien, die ein Mann sucht, wenn er abends ausgeht, um eine neue Frau kennenzulernen. Das machen Frauen haargenau gleich. Wenn ich Frauen den Tipp geben könnte, wo sie am Abend mit höherer Wahrscheinlichkeit einen spannenden Mann treffen, dann wäre das genauso geschätzt. Man sollte sich nicht an Worten aufhängen, die in einer gewissen Gruppe gesprochen werden. Beide Geschlechter haben eine gewisse Sprache untereinander.

Kam es schon öfter vor, dass das Programm oder dessen Inhalt kritisiert wurde?

Nein, das kommt fast nie vor und schon gar nicht von den Teilnehmern. Ich helfe den Männern, ihr eigenes Selbstwertgefühl zu entwickeln und so zu flirten, dass es sowohl für die Frau als auch für den Mann möglichst spannend, interessant und knisternd ist. Es geht nicht in erster Linie um Sex, sondern darum, das Flirten so zu lernen, dass es gerade auch den Frauen gefällt. Frauen mögen keine Männer, die schlecht flirten. Und ich zeige, wie man es gut macht.

Das Programm sei nicht zeitgemäss und frauenfeindlich, sagen Kritiker. Werden Sie es überarbeiten?

Es ist auch im Jahr 2019 immer noch so, dass vom Mann erwartet wird, dass er den ersten Schritt tut. Mit allem, was sich daraus ableitet. Die Initiative wird beim Mann bleiben, und viele Frauen sind auch dankbar, dass es so ist, weil es sehr viel Mut kostet, einen interessanten Menschen des anderen Geschlechts mit romantischen Interessen einfach so anzusprechen. Man sollte nicht den verurteilen, der den Leuten hilft, den Mut zu bekommen, so etwas zu tun und wieder ein normales Gespräch unter Menschen zu führen. Schlimmer finde ich, dass immer weniger miteinander geredet wird und dass das Kennenlernen notgedrungen nur noch über Dating-Websites passiert.

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