Die Zustimmung zur SVP-Initiative bröckelt

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AbstimmungsumfrageDie Zustimmung zur SVP-Initiative bröckelt

Bei der Durchsetzungsinitiative zeichnet sich ein Abstimmungskrimi ab. Weiterhin gute Chancen hat die zweite Gotthard-Röhre.

J. Büchi
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J. Büchi
Die SVP wirbt mit einer Fülle von Werbematerialien für ihre Initiative, doch auch die Gegner haben in den letzten Tagen schweres Geschütz aufgefahren.

Die SVP wirbt mit einer Fülle von Werbematerialien für ihre Initiative, doch auch die Gegner haben in den letzten Tagen schweres Geschütz aufgefahren.

Keystone/Ennio Leanza

Waren es die markigen Worte von FDP-Chef Philipp Müller? Oder die Offensive von Prominenten wie Knackeboul oder Stress? Sicher ist: Der Höhenflug der Durchsetzungsinitiative wurde seit Anfang Januar deutlich abgebremst. Wollten in der ersten Welle der gewichteten Abstimmungsumfrage von 20 Minuten noch 61 Prozent der Befragten die Initiative annehmen, sind es jetzt noch 51 Prozent. 48 Prozent sprechen sich gegen das Anliegen aus, nur ein Prozent mag noch keine Stellung beziehen.

Deutlich wird der Meinungsumschwung auch, wenn man die einzelnen Wählergruppen betrachtet: Sprach sich Anfang Januar noch eine Mehrheit der FDP- und CVP-Wähler für die Durchsetzungsinitiative aus, sind es gegenwärtig noch 41 respektive 37 Prozent. Bei den SP-Sympathisanten ging die Zustimmung von 29 auf 16 Prozent zurück. Nur die eigene Basis steht noch stramm hinter dem SVP-Anliegen: 95 Prozent wollen ein Ja in die Urne legen.

Politologe Thomas Milic führt die Veränderungen auf die massive Gegenkampagne zurück, die in den letzten Tagen eingesetzt hat. «So dezidiert hatte sich die FDP zuvor nicht gegen die Initiative ausgesprochen.» Dieses Engagement trage nun Früchte. «Es ist den bürgerlichen Gegnern gelungen, die Verhältnismässigkeit und die Umsetzbarkeit der Initiative anzuzweifeln, ohne das grundsätzliche Ziel, kriminelle Ausländer auszuschaffen, infrage zu stellen.» Der Widerstand von Prominenten und Juristen stelle einen «weiteren Mosaikstein» dar, sei für die Meinungsbildung aber vermutlich weniger wichtig, als es die mediale Präsenz vermuten liesse.

Laut Milic können sich die Gegner aber noch nicht auf der sicheren Seite wähnen. «Es gibt extrem wenig Unentschlossene – das Rennen wird auf jeden Fall eng.» Denn während die Zustimmung zu Volksinitiativen in vielen Fällen sinkt, wenn der Abstimmungstermin näher rückt, zeigte sich bei ausländerpolitischen Initiativen in der Vergangenheit auch öfter eine andere Dynamik. «Zu Ausländerfragen haben die meisten Bürger eine feste Einstellung – erdrutschartige Verschiebungen sind sicher nicht mehr zu erwarten.»

Anders könnte sich dies laut Milic bei den beiden anderen Volksinitiativen verhalten, die am 28. Februar zur Abstimmung kommen. Die Heiratsstrafe-Initiative der CVP erzielte bisher bei allen Umfragen hohe Zustimmungswerte. Laut den aktuellen Resultaten wollen ihr 61 Prozent der Stimmbürger zustimmen, 28 Prozent sind dagegen, der Rest ist noch unentschlossen. «In der jüngeren Vergangenheit gab es mehrere vergleichbare Vorlagen, die ähnlich gut gestartet sind, bei denen es am Ende aber doch nicht gereicht hat», so Milic. Ein Beispiel dafür sei die SVP-Familieninitiative. «Insbesondere wenn die drohenden finanziellen Einbussen zur Sprache kommen, könnte dies zu einem Meinungsumschwung führen.»

Auch bei linken Initiativen sinke der Ja-Anteil erwartungsgemäss gegen Schluss noch. Die Spekulationsstopp-Initiative, welche die Juso zusammen mit Hilfsorganisationen lanciert hatte, geniesst derzeit bei 40 Prozent der Befragten Sympathien, 35 Prozent sind dagegen. Ein Viertel aller Befragten machte noch keine Angaben. «Dies mag auch mit der Komplexität der Vorlage zu tun haben», so Milic. Beide Seiten argumentierten mit angeblich neutralen Zahlen und Fakten, die sich jedoch diametral widersprächen. «In solchen Situation ist der der Stimmbürger überfordert und muss sich entscheiden, wem er eher glaubt – und das wird für viele Stimmbürger eher der Bundesrat als die Juso sein.»

Weiterhin einen grossen Rückhalt geniesst die Gotthard-Vorlage. 56 Prozent sprechen sich für eine zweite Röhre aus, 35 Prozent sind dagegen. Neun Prozent legen sich noch nicht fest. Sollte es nicht zu einer ungewöhnlichen Schlussmobilisierung eines der beiden Lager kommen, sind laut Milic keine grösseren Verschiebungen mehr zu erwarten. «Es handelt sich um eine Sachfrage, die dem Stimmbürger ziemlich vertraut ist.» Anders als etwa bei der Avanti- oder der Alpenschutz-Initiative stehe das Umweltargument nun aber weniger im Zentrum. «Man diskutiert eher über den Nutzen und den Sicherheitsaspekt – deshalb wohl der höhere Ja-Anteil.»

An der zweiten Welle der Abstimmungsumfrage haben vom 25. bis 26 Januar 31'253 Personen aus der ganzen Schweiz teilgenommen. Die Politologen Lucas Leemann und Fabio Wasserfallen haben die Ergebnisse gewichtet, sodass sie möglichst gut der Struktur der Stimmbevölkerung entsprechen. Der Fehlerbereich liegt bei 1,2 Prozentpunkten.

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