Virus verbreitet sichBevölkerung ist nicht immun gegen das Virus
Das Gefährliche beim neuen Coronavirus sei, dass es keine Immunität in der Bevölkerung gebe, sagt Epidemie-Forscher Christian Althaus.
Die Schweiz steht nach Ansicht des Epidemienforschers Christian Althaus vor einer der grössten gesundheitlichen Notlagen in ihrer jüngeren Geschichte. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) unterschätze die Gefährlichkeit des Coronavirus.
Die Daten, die die Epidemienforscher zum Coronavirus hätten, zeigten, dass mit einer globalen Pandemie zu rechnen sei, sagte Althaus in einem Interview mit der «NZZ» (Mittwochausgabe). Und die Sterblichkeit sei höchstwahrscheinlich massiv höher als bei einer saisonalen Grippe.
Eine infizierte Person könne im Schnitt bis zu drei Personen anstecken, sagte Althaus einst in der SRF-Sendung «10vor10».
Es gehe aber nicht nur um die zu erwartenden Todesfälle, sondern auch um die drohende Überlastung der Spitäler. Deshalb müsse die Schweiz mit beträchtlichen Konsequenzen für die Gesundheit, die Wirtschaft, die Mobilität und das gesellschaftliche Leben rechnen.
Fühlst du dich genug vor dem Coronavirus geschützt? Was soll die Schweiz deiner Meinung nach tun? Macht dir die Ausbreitung Angst? Sag es uns:
Keine Immunität
Das Gefährliche beim neuen Coronavirus sei, dass es keine Immunität in der Bevölkerung gebe. Das kann dazu führen, dass sich vielleicht 30, 40 Prozent oder mehr der Leute anstecken.*
Althaus kritisiert das BAG scharf. Die Aussage, die Gefährlichkeit des Virus sei etwa so hoch wie bei einer saisonalen Grippe, sei absurd. Sie basiere nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Fast alle internationalen Experten, darunter auch die WHO, sähen das komplett anders.
Er habe den Eindruck, das man in der Schweiz akzeptiert habe, dass man eine Ausbreitung nicht mehr stoppen könne, sagte Althaus weiter. Das wäre gefährlich. Denn durch eine Verlangsamung würde man Zeit gewinnen, um den Anstieg der Patientenzahlen in den Spitälern besser zu verkraften.
Schnelle Tests dringend
Dass es in den Spitälern zu Engpässen kommen könnte, glaubt auch Andreas Widmer, stellvertretender Chefarzt und Leiter der Abteilung für Spitalhygiene am Universitätsspital Basel. Schnelle Tests seien nötig. Die Kantone müssten flächendeckend alle Personen mit Verdacht auf das Coronavirus testen und die Infizierten sofort separieren, sagte Widmer in einem Interview mit 20 Minuten.
Hinzu komme, dass die Symptome des neuen Virus sich nicht von einer normalen Grippe unterschieden und so eine Erkennung noch schwieriger sei. Er sei gespannt, wie die flächendeckenden Tests im Tessin in Anbetracht dieser Schwierigkeiten umgesetzt würden. Das sei medizinisch wie logistisch eine Herkulesaufgabe.
Grenzschliessungen und Kontrollen brächten nichts. Das Wichtigste seien die schnellen Tests. Die Kantone stünden in der Verantwortung. Und sie seien laut Gesetz auch dazu befugt, Massnahmen zu ergreifen.
Derzeit besteht keine Gefahr
Die Ansteckung eines 70-jährigen Mannes im Tessin mit dem Coronavirus sei momentan ein Einzelfall, sagte Daniel Koch, Leiter Abteilung übertragbare Krankheiten im Bundesamt für Gesundheit, gegenüber der Sendung «10vor10». Derzeit bestehe keinerlei Gefahr.
Koch empfiehlt der Bevölkerung, sich an die grundlegenden Hygiene-Regeln zu halten. Dazu gehöre, sich regelmässig die Hände zu waschen und bei Husten den Ellenbogen oder Papiernastücher zu benutzen. Wer krank sei, gehöre nicht in die Öffentlichkeit und schon gar nicht an den Arbeitsplatz, sagt Koch.
*Korrigendum 11.3.2020: In einer ersten Version des Artikels wurde Christian Althaus mit der Aussage zitiert, dass es im Worst-Case-Szenario in der Schweiz bis zu 30'000 Todesopfer geben könnte. Der Epidemieforscher legt Wert darauf, dass er diese Aussage nicht selbst gemacht hat, sondern dass sie aus einer Interviewfrage stammt. Wir entschuldigen uns für diese unzulässige Vermischung von Frage und Antwort.
Hier der entsprechende Abschnitt aus dem Interview in der NZZ:
Frage: Es könnte also drei Millionen Infizierte in der Schweiz geben. Bei einer Sterblichkeit von einem Prozent sprechen wir von 30 000 Toten.
Antwort Althaus: Ja. Ein solches Worst-Case-Szenario ist nicht ausgeschlossen. (leg/sda)