VerschlüsselungBund soll bei Whatsapp und Threema mitlesen
FDP-Ständerat Josef Dittli will verhindern, dass sich Kriminelle auf Messengerdiensten vernetzen. «Naiv», sagt IT-Anwalt Martin Steiger.
In verschlüsselten Chats tummeln sich neben rechtschaffenen Nutzern, die auf ihre Privatsphäre bedacht sind, auch das organisierte Verbrechen, Terroristen und andere Kriminelle. Ende 2017 deckte die Polizei in Lörrach (D) etwa einen Kinderporno-Ring auf, bei dem die rund 60 Tatverdächtigen illegale Bilder und Videos per Whatsapp untereinander austauschten. In Deutschland steht nun auch für die Bekämpfung solcher Straftaten eine Gesetzesänderung zur Diskussion, die den Behörden solche verschlüsselten Nachrichten zugänglich machen soll.
Die Idee: Messenger-Dienste wie Whatsapp, Threema oder Telegram sollen gezwungen werden, in ihrer Software eine Hintertür einzubauen, um auf richterliche Anordnung hin die Chats ihrer Kunden zu speichern und unverschlüsselt an Behörden schicken zu können. FDP-Ständerat Josef Dittli fordert den Bundesrat nun auf, zu prüfen, ob eine ähnliche Option auch für die Schweiz Sinn macht. «Es geht nicht an, dass Kriminelle, Terroristen oder Schlimmeres ein undurchdringbares Netzwerk unterhalten, das dazu dient, ihren Machenschaften zum Durchbruch zu verhelfen», sagt Dittli.
Er erkenne zwar, dass eine entsprechende Regelung grössere Auswirkungen auf die ganze Bevölkerung hätte. «Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass hier eine Problematik besteht», sagt Dittli. Als Präsident der ständerätlichen Sicherheitspolitischen Kommission erwarte er vom Bundesrat nun eine umfassende Lagebeurteilung.
Kriminelle nutzen Lücken aus
Dittli lasse in seiner Interpellation durchblicken, dass er das Gefühl habe, dass der Bevölkerung durch die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ein erhöhtes Risiko drohe, sagt Anwalt und IT-Experte Martin Steiger. «Das ist grundlegend falsch: Die Verschlüsselungstechnologie ist eine der wichtigsten Mechanismen, um die Sicherheit im digitalen Raum zu gewährleisten.» Sie schütze sowohl Behörden und Organisationen als auch Journalisten, Anwälte und alle anderen Menschen vor unberechtigten Zugriffen von Kriminellen oder ausländischen Behörden.
Es wäre «vollkommen naiv» zu glauben, dass Hacker die für den Bund eingebauten Hintertüren nicht verwenden würden, um bisher verschlüsselte Chats und Telefonate von Schweizer Benutzern von Messenger-Diensten abzuhören, sagt Steiger. «Das ist, wie wenn man die Haustür nicht mehr schliesst, damit die Polizei ins Haus kommen kann. Alle anderen kommen dann auch einfach rein.» Hinzu kommt, dass ICT-Unternehmen in der Schweiz international ein hohes Vertrauen geniessen würden. Steiger: «Daher muss sich der Bund für einen Aus-, nicht für einen Abbau der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung starkmachen.»
«Keine Kompromisse bezüglich Datenschutz»
Auch der Geschäftsführer der Schweizer Firma Threema, Martin Blatter, ist der Ansicht, dass die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung kein Sicherheitsrisiko für die Schweiz darstellt – im Gegenteil: «Sie schützt Privatpersonen, Unternehmen und Organisationen vor Cyberangriffen, Spionage und Identitätsdiebstahl.» Aus diesem Grund würde beispielsweise auch die ganze Schweizerische Bundesverwaltung auf die Technologie von Threema setzen. Für Inhalte, die als «vertraulich» klassifiziert sind, ist der Gebrauch von Threema Pflicht.
Eine Aufweichung der Verschlüsselung käme für Threema deshalb unter keinen Umständen infrage, so Blatter. «Wir sind nicht bereit, irgendwelche Kompromisse bezüglich Sicherheit, Vertraulichkeit der Kommunikation und Datenschutz einzugehen.» Darüber hinaus würden die Nachrichten bei Threema vom Nutzer selbst und nicht vom Unternehmen verschlüsselt. «Daher wäre es uns gar nicht möglich, Nachrichten unverschlüsselt an Behörden auszuhändigen.»