30 bis 120 Franken mehrFliegen Schweizer wegen Abgabe wirklich weniger?
Die Flugticketabgabe von 30 bis 120 Franken rückt immer näher. Gegner warnen, die höheren Preise würden dem Klima sogar schaden.
Zwischen 30 und 120 Franken sollen Airlines bald pro Passagier bezahlen, wenn sie von einem Schweizer Flughafen abheben. Transitpassagiere sind davon ausgenommen. Der Ständerat hat einer solchen Flugticketabgabe am Mittwoch bei der Beratung des neuen CO2-Gesetzes klar zugestimmt.
Die Befürworter sind überzeugt, dass die Bevölkerung dann auf Reisen verzichtet oder auf klimafreundlichere Verkehrsmittel wie die Bahn umsteigt. CVP-Ständerat Beat Vonlanthen sagte im Rat, dass das Fliegen heute viel zu billig sei. Er gehe davon aus, dass schon 30 Franken zu deutlich weniger Passagieren führten, sagte er unter Verweis auf wissenschaftliche Studien.
«Airline-Kunden reagieren empfindlich auf höhere Preise»
Auch Martin Peter, Ökonom beim Forschungsbüro Infras, rechnet damit, dass eine Abgabe eine Wirkung erzielt: «Wie stark die Nachfrage abnimmt, hängt von der Destination und der
Erhöhung der Ticketpreise ab. Wenn eine Airline die Ticketpreise für einen Flug wegen der Abgabe um beispielsweise zehn Prozent erhöht, dann passen rund zehn Prozent der Passagiere ihr Reiseverhalten an.» Bei Geschäftsreisen sei der Effekt weniger stark als bei Freizeitreisen. Aber: «Airline-Kunden reagieren empfindlich auf höhere Preise. Deshalb ist der Preiskampf in der Branche so gross.»
Der Verein Umverkehr fordert darum eine noch höhere Abgabe: «Um die Emissionen des internationalen Flugverkehrs zu reduzieren, muss die Flugticketabgabe mindestens 65 Franken betragen und gegen oben offen sein», sagt Projektleiterin Greta Stieger. Es brauche zudem ein Verbot von Kurzstreckenflügen.
«Man fliegt dann ab Mailand oder München»
SVP-Nationalrat Thomas Hurter sieht die Schweiz auf dem Holzweg: «Die Flugticketabgabe wird keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten – im Gegenteil.» Vielmehr bewirke sie, dass Passagiere Zwischenstopps und Umwege in Kauf nehmen würden für günstigere Preise. «Man fliegt dann ab Mailand, Wien oder München, wo die Abgabe viel tiefer ist.» Genau aus diesem Grund hätten Dänemark, die Niederlande und Irland die Abgaben wieder abgeschafft. «Golfairlines werden den Preisunterschied zu nutzen wissen, um die Kunden über ihren Hub zu lenken.» Da Fliegen kein Selbstzweck sei, werde die Schweiz internationale Anbindungen und damit Arbeitsplätze verlieren.
Bedenken hat auch die Swiss. Sprecherin Karin Müller sagt: «Wir sind nicht überzeugt, dass nationale Flugticketabgaben im internationalen Luftverkehr zum gewünschten Ziel führen.» Sei die Abgabe zu tief angesetzt, verfehle sie die Wirkung. Sei sie zu hoch, führe dies zu einer Verlagerung der Verkehrsströme ins nahe Ausland, «insbesondere bei einer übermässigen Belastung der Langstrecken-Direktflüge über andere Hubs in Europa, der Türkei und im Mittleren Osten. Swiss sei gerade in Europa einem harten Konkurrenzkampf ausgesetzt und könne die Ticketpreise nicht beliebig erhöhen. «Folglich ist fraglich, ob die Fluggesellschaften die Abgabe auf den einzelnen Fluggast überwälzen können.» Zielführender seien globale Initiativen.
Ständerat Beat Vonlanthen beeindruckt das nicht. Er rechnet nicht damit, dass ein grosser Teil der Passagiere ausweichen wird. «Auf Europaflügen gibt es gute Alternativen», sagt Vonlanthen zu 20 Minuten. Er verweist etwa auf den Zug, unterstreicht aber, dass das Angebot an Nachtzügen noch ausgebaut werden müsse. Noch muss der Nationalrat über die Flugticket-Abgabe befinden. Stimmen beide Räte zu, könnte das Referendum gegen das Klimaschutzgesetz ergriffen werden.