Trinkgeld-PanneFrau zahlt aus Versehen 2494 Franken Trinkgeld
Als J.K. ihr Essen mit der Bankkarte bezahlt, tippt sie beim Trinkgeld ihren Pin-Code ein. Das Geld hat sie zurück, trotzdem spricht sie von «Abzocke».
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Eigentlich wollte J.K.* mit ihrem Sohn nur einen gemütlichen Abend verbringen und Pouletflügeli mit Pommes essen – doch für sie wurde es das teuerste Nachtessen ihres Lebens. «Wir hatten die Flügeli bei poulet-hochgenuss.ch in Sihlbrugg bestellt und nach Hause liefern lassen», erzählt K. Weil das Kartenlesegerät zuerst nicht funktioniert habe, sei der Lieferant später am Abend nochmals gekommen, um den Betrag einzuziehen. «Das Gerät piepste beim ersten Anlauf komisch, beim zweiten klappte es», so K. Sie zahlte mit ihrer Postfinance-Karte und erhielt den Rechnungsausdruck von 56.60 Franken – alles schien korrekt.
Als die 50-jährige Wädenswilerin tags darauf am Postomat Geld abhob, erlebte sie ihr blaues Wunder. «Ich traute meinen Augen nicht. Ich hatte nur noch knapp 300 Franken übrig. Von meinem Konto wurden am Vorabend neben den 56.60 Franken für die Flügeli weitere 2494.60 Franken abgebucht.» Beide Beträge wurden an den Lieferservice überwiesen – respektive an das Restaurant Löwen in Sihlbrugg, das den Lieferservice anbietet. K. informierte umgehend die Postfinance. Dort konnte man ihr lediglich die Abbuchung bestätigen und wies sie an, den Lieferdienst zu kontaktieren.
«Dummer Zufall»
So wandte sich K. direkt an die Sihlbrugger Filiale von poulet-hochgenuss.ch – und diese zeigte sich kulant. Geschäftsführer Michael Schierling betont, es habe sich um ein Missverständnis gehandelt: «Das war ein dummer Zufall.» Just als die Kundin bezahlt habe, sei beim Kartengerät das Papier für die Rechnungen ausgegangen. «Daher haben weder Lieferant noch Kundin gemerkt, dass die Frau beim ersten Zahlungsversuch anstelle des Trinkgelds ihren Pin-Code eingegeben hatte», so Schierling. Er habe umgehend gehandelt, nachdem die Kundin bei ihm reklamiert habe. «Ich setzte mich sofort mit Postfinance in Verbindung und veranlasste, dass die falsche Abbuchung rückgängig gemacht wird.»
In der Tat: Am Freitagnachmittag, vier Tage nach dem Vorfall, hatte die 50-jährige K. die 2494.60 Franken wieder auf ihrem Konto. «Es hat etwas lange gedauert, aber ich bin erleichtert. Jetzt kann ich endlich meine offenen Monatsrechnungen bezahlen», sagt die Wädenswilerin. Der Vorfall stösst ihr aber sauer auf. Dass beim Kartenlesegerät als erstes die Trinkgeld-Aufforderung aufblinke, empfindet sie als äusserst dreist. «Normalerweise muss man zuerst den Pin eingeben. So werden die Kunden aber überrumpelt und abgezockt.» Es komme sicher oft vor, dass Kunden intuitiv zuerst ihren Pin eingeben würden.
Kartenlimite gleich Trinkgeldlimite
Postfinance-Sprecher Johannes Möri widerspricht: Solche Trinkgeld-Pannen gebe es nur selten. Und: «Bei Postfinance werden nur Geräte von Hotels und Restaurants mit der Trinkgeld-Funktion aktiviert.» Dass die Trinkgeld-Aufforderung vor der Pin-Eingabe erscheine, sei von Gastrosuisse so gewünscht worden, ergänzt Möri. Diese Abfolge sei gewählt worden, weil der Pin die Gesamtzahlung inklusive Trinkgeld bestätigen müsse.
Bestrebungen, diese Praxis zu ändern, gebe es nicht. «Die Kunden haben sich an diesen Prozess gewöhnt», so Möri. Hotels und Restaurants müssten ihre Kunden nicht zwingend auf die Trinkgeldeingabe hinweisen. Möri dazu: «Es liegt im Ermessen des Händlers, wie er seine Kunden informiert.» Macht er dies nicht, ist es gut möglich, dass jemand aus Versehen in einem Hotel oder Restaurant eine vier- oder fünfstellige Trinkgeldsumme springen lässt. Denn eine eigentliche Limite bei dieser Transaktion gibt es laut dem Postfinance-Sprecher nicht: «Es gibt keine spezielle Limite für Trinkgeld. Es gilt die normale Kartenlimite für Warenbezüge.»
*Name der Redaktion bekannt