Schwarzfahrer im ÖVBussen für Unschuldige wegen Identitätsklau
Ein Autofahrer erhielt zu Unrecht eine ÖV-Busse. Dass Schwarzfahrer falsche Personalien angeben, passiert oft.
Aus heiterem Himmel flatterte R.G.* eine Busse von 100 Franken in den Briefkasten. Mit einem Bus von Bernmobil soll er kürzlich schwarz in Richtung Ostermundigen BE gefahren sein. «Ich war über die Busse völlig überrascht. Seit ich den Führerschein habe, bin ich gar nie mehr mit dem ÖV gefahren», sagt der 28-jährige Bieler. Um seine Unschuld zu beweisen, habe er bei Bernmobil in Bern eine Handschriftenprobe abgeben müssen. «Es ärgert mich extrem, dass ich deswegen extra freinehmen musste», sagt der Logistiker.
Er habe eine Person in Verdacht, die seine Daten missbraucht haben könnte, so G. «Es muss jemand sein, den ich kenne und der meine Adresse weiss.» Gut möglich sei, dass es ein Facebook-Freund sei. «Bis vor kurzem war auf meinem Facebook-Account mein Geburtsdatum ersichtlich. So war es ein Leichtes, mich anzuschwärzen.» Bernmobil habe ihm mitgeteilt, die betreffende Person zu kontaktieren. «Ich erstattete zudem Anzeige gegen unbekannt.»
Häufig würden Bekannte angeschwärzt
Dass ÖV-Passagiere ohne Billett unschuldige Personen anschwärzen, ist keine Seltenheit. Möglich ist dies, weil in der Schweiz keine Pflicht besteht, einen Ausweis auf sich zu tragen. «Durchschnittlich einmal pro Tag missbrauchen Schwarzfahrer die Angaben von Personen», sagt Katharina Merkle, Mediensprecherin von Postauto. Die Billettkontrolleure ihres Unternehmens kontrollieren für rund zehn Transportunternehmungen in der Schweiz, darunter etwa die VZO und Stadtbus Winterthur.
Pro Jahr stelle Postauto rund 300 solche Bussen aus. «Häufig schwärzen Schwarzfahrer Bekannte an. Es gibt aber auch solche, die im Falle einer Kontrolle irgendeine Adresse bereithaben», sagt Merkle. Oft würden die Schwindler aber auch auffliegen. «Viele fallen rein, wenn die Billettkontrolleure Fangfragen stellen. Sie geben dann zum Beispiel ein Sternzeichen an, das nicht mit dem angegebenen Geburtsdatum übereinstimmt.»
Missbrauch sei nicht auszuschliessen
Auch bei der SBB heisst es, dass Schwarzfahrer Angaben von anderen Personen missbrauchten. «Wir führen dazu aber keine Statistik», sagt Mediensprecher Daniele Pallecchi. Bernmobil und die Basler Verkehrs-Betriebe BVB registrieren pro Monat rund zwei bis drei Fälle von Namensmissbrauch. «Da in der Schweiz keine Pflicht besteht, einen Ausweis auf sich zu tragen, können wir einen Missbrauch nicht gänzlich ausschliessen», sagt Rolf Meyer, Leiter Unternehmenskommunikation von Bernmobil.
Auch Stefan Dauner, Mediensprecher bei der BLS AG, sagt: «Wir erhalten in regelmässigen Abständen die Info, dass Reisende ohne gültigen Fahrausweis Angaben missbrauchen.» Die meisten ÖV-Betriebe zeigen die Schwarzfahrer wegen Identitätsmissbrauchs an – so kommen sie ihnen auf die Schliche (siehe Box).
Ausweispflicht würde Problem beheben
Karin Blättler, Präsidentin von Pro Bahn, bezeichnet das Angeben von falschen Personalien als «kein Kavaliersdelikt mehr». Eine Pflicht, beim Benutzen des ÖV einen Ausweis auf sich zu tragen, würde das Problem laut Blättler beheben. Deren Umsetzbarkeit sei aber zu bezweifeln.
Am 1. April 2019 startet das nationale Schwarzfahrerregister. Dieses registriert alle Reisenden zentral, die ohne gültigen Fahrausweis im öffentlichen Verkehr kontrolliert werden. Postauto erhofft sich auch dadurch eine Entspannung. Merkle: «Das primäre Ziel ist, notorische Schwarzfahrer abzuschrecken. Dank des zentralen Registers können Schwarzfahrer über verschiedene Transportunternehmungen hinweg erkannt werden.»
Bussen und Zuschläge drohen
Erwischte Schwarzfahrer müssen beim ersten Vorfall eine Busse von 90 Franken bezahlen, beim zweiten Vorfall 130 Franken und beim dritten 160 Franken. Haben sie dazu falsche Angaben gemacht, fällt ein Zuschlag von 100 Franken plus allenfalls ein Zeitzuschlag für die generierten Aufwände an.
Opfern von unrechtmässigen Bussen wird geraten, sich beim zuständigen Betrieb zu melden. Darauf werden sie zu einer Überprüfung der Handschrift gebeten. Deckt sich diese nicht mit derjenigen des Schwarzfahrers, wird ihnen die Busse zurückerstattet.