Leser vs. ExperteWaren die Sommer vor 50 Jahren tatsächlich kühler?
Mehr Hitzetage und Tropennächte: Zahlen des Bundes dokumentieren den Klimawandel. Das sorgt für Kontroversen. Ein Experte nimmt Stellung.
Eindrückliche Grafiken des Bundesamts für Statistik und Meteo Schweiz zeigen, wie viel kühler die Sommer vor 50 Jahren waren. Die Daten über die Anzahl Hitzetage, Sommertage und Tropennächte sorgten bei 20-Minuten-Lesern für kontroverse Diskussionen. ETH-Klimaforscher Reto Knutti nimmt Stellung zu ausgewählten Kommentaren. Er kämpft an vorderster Front gegen die «Klimaskeptiker» – etwa auf Twitter.

Knutti: «Sowohl die beobachtete als auch die für die Zukunft vorausgesagte Erwärmung ist für Stationen die nicht von Überbauungen beeinflusst sind, das heisst, sie sind zum Beispiel über einer Wiese gemessen und nicht über Beton. Wo Messstationen beeinflusst werden oder verschoben wurden, ist das korrigiert worden.»


Knutti: «Das Klima hat auch früher geschwankt, aber aus anderen Gründen – Vulkane, zum Teil Sonnenaktivität – und in den Eiszeiten wegen Veränderungen der Erdbahn um die Sonne. In den letzten 2000 Jahren waren die Schwankungen aber regional und zeitlich unterschiedlich und relativ klein. Einzelne heisse Tage gab es immer, aber seit es zuverlässige Beobachtungen gibt, nehmen die heissen Tage deutlich zu, und die kalten nehmen ab.»

Knutti: «So schnell und extrem wird sich das Klima nicht verändern. Für Mitte Jahrhundert wird der heisseste Tag im Jahr knapp vier Grad wärmer, Ende Jahrhundert sechs Grad.»

Knutti: «47 Grad wird es in naher Zukunft hier nicht sein, aber die Tendenz zu trockeneren und heisseren Sommern wird uns zu Anpassungsmassnahmen in der Landwirtschaft zwingen, es müssen zum Beispiel Sorten angebaut werden, die mit Hitze und Trockenheit gut umgehen können.»

Knutti: «Welche politischen Massnahmen nötig sind, um die Bevölkerung zum Umdenken zu bewegen, ist keine einfache Frage. Naturwissenschaftliche Fakten führen nicht notwendigerweise zum Handeln. Das zeigt, dass sozialwissenschaftliche Forschung entscheidend ist, um die gesellschaftlichen Faktoren zu verstehen.
Und natürlich muss auch im Ausland viel passieren, wenn wir das Problem lösen wollen. Aber all diese Punkte dürfen nicht davon ablenken, dass wir in der Schweiz nicht nur einen hohen ökologischen Fussabdruck, sondern auch viele technische Möglichkeiten und Technologie haben, um zu zeigen, dass wir einen Beitrag leisten können. Wenn wir es nicht tun, dann wird es schwierig, andere, die weniger haben, davon zu überzeugen.»