Wahlkampf-SongsPeinlich ist das neue Cool
Die Politiker von SVP und GLP ernten für ihre Wahlkampf-Songs viel Spott. Ihre Strategie ist damit aufgegangen.
SVP Freiheitssong («Wo e Willy isch, isch ou e Wäg»)
Ein Bundesrat, der einen Plüschhünd besingt? Ein Parteipräsident, der ein Exemplar des Kuscheltiers unter dem Arm hält und neckisch in die Kamera blinzelt? Und all das dirigiert von einem Schlagersänger mit blondierter Vokuhila-Frisur? Willkommen im Wahlkampf 2015! Was sich in der kommerziellen Werbung längst durchgesetzt hat (Stichwort: Edekas «Supergeil»-Clip), ist nun definitiv auch in der Schweizer Politik angekommen: Hauptsache schräg, lautet das Motto.
Entsprechend ernten der «Freiheitssong» der SVP und die Grünliberalen-Hymne von Beat Flach in den sozialen Medien neben etwas Beifall auch ganz viel Spott und Ungläubigkeit. «Mein Gott, ist das wirklich wahr?», fragt ein User. «Bei den #wahlen2015 geht es doch nicht darum, das schrecklichste Video zu produzieren», schreibt ein anderer. Wirklich nicht?
«Gäll, du wählsch mi? - Gäll, du willsch mi?»
«Ein schräger Song kann durchaus dazu dienen, die Aufmerksamkeit der Wählerschaft auf sich zu ziehen», sagt Politikberater Mark Balsiger. Bestes Beispiel dafür: Das Video der FDP Reinach von 2012. Mit «Gäll, du wählsch mi? - Gäll, du willsch mi?» wurde die Lokalpartei schweizweit bekannt, das Video dazu wurde über 132'000-mal angeklickt. Auch wenn der Clip unfreiwillig komisch gewesen sei, habe er Schweizer Parteistrategen inspiriert: «Viele haben sich überlegt, wie sie diesen Effekt nachahmen könnten.»
Dass die SVP und Flach mit ihren Clips den richtigen Riecher hatten, zeige nur schon die grosse Resonanz in den sozialen Medien. «Wenn selbst politische Gegner das Video posten – und sei es süffisant oder sogar hämisch –, ehrt das die Protagonisten», findet Balsiger. Dass über die Videos gespottet wird, sei durchaus auch Teil der Strategie: «Die Macher dieser Videos sind nicht naiv, sondern antizipierten, was ihre Songs beim Publikum und in den Medien auslösen.»
«Wir haben ein Entchen! :-)»
Beat Flach, der nach eigenen Angaben immerhin drei Gesangsstunden und 5920 Franken in den Musikclip investiert hat, schreibt auf seiner Website dazu: «Der Ernst des (politischen) Lebens kommt so oder so wieder auf uns zu; geniessen wir heute das Leben und haben etwas Spass.» Frei nach diesem Motto verbreitet er auch Kritik an seinem Werk auf Twitter fleissig weiter. Und scheut selbst den Vergleich mit dem legendären FDP-Reinach-Song nicht. Auf eine Twitter-Nachricht von SP-Nationalrätin Jacqueline Badran, diesen Hit werde er niemals toppen, antwortet Flach: «Abwarten! Wir haben ein Entchen! :-) Und ich singe. Und das Lied ist lässig und wir haben ein Entchen. ;-)»
Doch zahlen sich das Federvieh und die Plüschhunde am Wahltag tatsächlich auch aus? Balsiger warnt vor überhöhten Erwartungen: «Die Reinacher FDP ist dank ihrem Song zwar schweizweit bekannt geworden, bei den Wahlen hat sie deswegen aber nicht zugelegt. Sie konnte die grosse Medienpräsenz nicht in zusätzliche Sitze verwandeln.» Auch die nationalen Parteien und Kandidaten dürften sich diesbezüglich keine falschen Hoffnungen machen.
Hier sind sie, die Enten: