Tagesklinik schafft den Händedruck ab

Aktualisiert

Hygiene-MassnahmeTagesklinik schafft den Händedruck ab

In der Tagesklinik Muri geben die Ärzte den Patienten die Hand nicht mehr. Sinnvoll, meint ein Experte. Andere Spitäler halten am Händeschütteln zur Begrüssung fest.

von
Julia Käser
Dieses Bild findet man neu überall in der Tagesklinik Muri. Auf den Handschlag zwischen Arzt und Patient soll zum Schutz vor Ansteckungsgefahr verzichtet werden.
Die Aktion komme bei Patienten und Mitarbeitenden überwiegend gut an.
Laut einem Bericht des BAG ziehen sich jährlich rund 70'000 Patienten eine Infektion mit Spitalkeimen zu. Etwa 2000 dieser Personen sterben schliesslich daran.
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Dieses Bild findet man neu überall in der Tagesklinik Muri. Auf den Handschlag zwischen Arzt und Patient soll zum Schutz vor Ansteckungsgefahr verzichtet werden.

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Das Spital ruft seit März dazu auf, den Handschlag zwischen Arzt und Patient zu unterlassen. Begründung: Laut der WHO würden rund 80 Prozent aller Infektionskrankheiten über die Hände weitergegeben, heisst es in einer Information für die Patienten. Darum gelte das Motto «Lächeln statt Händedruck».

Laut Martina Wagner von der Medienstelle des Spitals ist die Aktion deshalb ins Leben gerufen worden, weil in der Tagesklinik Patienten mit sehr unterschiedlichen Erkrankungen behandelt würden und deshalb spezielle Vorsicht gelte. Gemäss einem Bericht des BAG ziehen sich jährlich rund 70'000 Patienten eine Infektion mit Spitalkeimen zu. Etwa 2000 dieser Personen sterben schliesslich daran.

Vorwiegend positive Reaktionen

«Patienten, die zur Chemotherapie ins Spital Muri kommen, sind besonders gefährdet und bedürfen eines besonderen Schutzes», so Wagner. Da der Händedruck zur Schweizer Kultur gehöre, würden Patienten und Mitarbeiter fortlaufend über die Beweggründe für die Aktion informiert. Die Reaktionen auf «Lächeln statt Händedruck» seien überwiegend positiv.

Muri ist nicht allein: In Deutschland etwa verzichtet die Augusta Klinik in Bochum seit über drei Jahren komplett auf die Begrüssung per Handschlag. Der Immunologe Beda Stadler findet die Aktion des Spitals Muri durchaus sinnvoll: «Das Spital ist ein Ort, wo sich Krankheiten sammeln. Man geht krank herein und will gesund wieder rauskommen.» Der Verzicht auf das Händeschütteln sei deshalb im Falle von Tageskliniken oder Spitälern richtig.

Zuspruch findet die Aktion weiter bei Peter Rahm vom Hygiene-Beratungsunternehmen Almedica. Das Vorgehen des Spitals Muri sei vollkommen nachvollziehbar. Auch die Herausforderung der multiresistenten Keime könne entsprechende Massnahmen gegen den Händedruck legitimieren. «Die multiresistenten Keime sind eine grosse Challenge», hält Rahm fest.

«Grösster Teil der Infektionen passiert bei der Pflege»

Laut Daniel Koch, Leiter Abteilung Übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), ist der Fall des Spitals Muri ein Novum. Dem BAG sei keine entsprechende Richtlinie bekannt. Auf den Handschlag zu verzichten sei sicherlich nicht falsch, aber auch nicht die Lösung aller Probleme. «Der grösste Teil der Krankheitsübertragungen passiert bei der Pflege und nicht bei der Begrüssung.»

Grössere Spitäler halten denn auch am Händedruck fest: «Händeschütteln ist in unserer Kultur fest verankert, es ist eine Form der Kontaktaufnahme und des gegenseitigen Respekts», sagt Dr. Stefan Kuster, Leitender Arzt der Spitalhygiene am Universitätsspital Zürich (USZ). Am USZ bestehe deshalb kein solches Verbot. Stattdessen würden die Hände vor und nach jedem Patientenkontakt desinfiziert. Die korrekte Händedesinfektion sei die wichtigste, einfachste, schnellste und kostengünstigste Standardmassnahme zur Verhinderung der Übertragung von Keimen. Die Mitarbeitenden am USZ hätten klare Anweisungen, wie und wann eine Händedesinfektion zu erfolgen hat.

Keine Studien zum Händeschütteln bekannt

Die WHO bestätigt auf Anfrage, dass es keine entsprechende Empfehlung oder Studie gebe, die sich gezielt mit der Thematik des Händeschüttelns zwischen Mediziner und Patient auseinandersetze. Wie viele Patienten sich dadurch anstecken würden, könne man deshalb nicht sagen. Man empfehle, die medizinische Handhygiene «in Übereinstimmung mit der lokalen Kultur zu regeln».

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