Sind wir heimliche Rassisten?

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DiskriminierungproblemSind wir heimliche Rassisten?

Im Callcenter sollen Mitarbeiter Schweizer Namen verwenden, empfiehlt Swiss Life. Die Bevölkerung sei kritisch gegenüber fremd klingenden Namen.

A. Schawalder
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A. Schawalder
Im Callcenter der Swiss Life wurde den Mitarbeitern mit fremden Namen empfohlen, einen Schweizer Namen zu verwenden. Die Sonntagszeitung nahm das zum Anlass, über Diskriminierungen aufgrund von ausländischen Namen zu berichten. So sei es ein Nachteil in verschiedenen Bereichen, etwa bei Bewerbungen oder bei der Arbeit. (Symbolbild)
Im Editorial kommentierte Andrea Bleicher, Redaktionsleiterin der «SonntagsZeitung»: «Die Schweiz hat ein ernsthaftes Diskriminierungproblem.» Wenn man versuche, das Ganze positiv zu sehen, könnte man sagen, dass Swiss Life versuche, seine Angestellten vor der misstrauischen Bevölkerung zu schützen, schreibt sie.
Dass Swiss Life seinen Angestellten mit der Regelung irgendwie helfe, hält der Geschäftsführer der GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, Dominic Pugatsch, nicht für einleuchtend. «Der Name einer Person ist ein wichtiger Bestandteil ihrer Identität. Wenn man sagt, man solle ihn nicht verwenden, dann wirkt das selbstverleugnend und verletzend.»
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Im Callcenter der Swiss Life wurde den Mitarbeitern mit fremden Namen empfohlen, einen Schweizer Namen zu verwenden. Die Sonntagszeitung nahm das zum Anlass, über Diskriminierungen aufgrund von ausländischen Namen zu berichten. So sei es ein Nachteil in verschiedenen Bereichen, etwa bei Bewerbungen oder bei der Arbeit. (Symbolbild)

Keystone/Gaetan Bally

«Die Schweiz hat ein ernsthaftes Diskriminierungproblem!», kommentiert Andrea Bleicher, die Redaktionsleiterin der Sonntagszeitung. Sie reagiert dabei auf die Praxis der Swiss Life, die ihren Call-Center-Mitarbeitern empfiehlt Schweizer Namen zu verwenden.

Bewerbern mit ausländischen Namen werde in der Schweiz weniger zugetraut und werden weniger zum Vorstellungsgespräch eingeladen, schreibt sie in Berufung auf Studien. Wenn man versuche, das Ganze positiv zu sehen, könnte man sagen, dass Swiss Life versuche, seine Angestellten vor der misstrauischen Bevölkerung zu schützen.

Migranten müssen zudem mehr für ihre Miete zahlen, schreibt die Sonntagszeitung Gewisse Vermieter wollen ihre Wohnung nicht an sie vermieten.

SP-Ständerätin Anita Fetz machte die Problematik bereits 2006 einen Vorstoss zum Thema: Sie schlug vor, dass man bei der Einbürgerung den Namen ebenfalls einschweizern können soll. Die Hoffnung war, dass man so die Integration erleichtern könnte. Der Vorschlag scheiterte jedoch vor dem Ständerat.

«Unterschwelligen Rassismus sehe ich nicht als ein Problem.»

Die Regelung bei der Swiss Life kommt bei einschlägigen Organisationen nicht gut an: Dass Swiss Life seinen Angestellten mit der Regelung irgendwie helfe, hält der Geschäftsführer der GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, Dominic Pugatsch, nicht für einleuchtend. «Der Name einer Person ist ein wichtiger Bestandteil ihrer Identität. Wenn man sagt, man solle ihn nicht verwenden, dann wirkt das selbstverleugnend und verletzend.»

Doch auch das angebliche Problem, ein latenter Rassismus bei den angerufenen Kunden, will Pugatsch nicht feststellen: «Dies wird der modernen und aufgeschlossenen Schweiz nicht gerecht. Hier unterschätzt man die Mitarbeiter und Kunden.» Vor 20 Jahren hätte er das Argument vielleicht noch gelten lassen: Heute aber darf der Name einer Person im Geschäftsgebaren keine Rolle mehr spielen.» Swiss Life habe hier möglicherweise ein veraltetes Bild der Schweiz.

Eher Vorurteile gegenüber Sprachkenntnissen

Ähnlich sieht das Isabel Garcia, Präsidentin des Vereins Secondas Zürich und verweist auf die vier Landessprachen: «Die Schweiz selbst hat eine Vielfalt von verschiedenen Namen. Sollen diese ihren Namen etwa ebenfalls ändern?»

Leute hätten ihr aber auch schon geklagt, dass ein fremd klingender Name eine Bewerbung für einen Job oder eine Wohnung erschweren könnte. Das komme aber sehr auf den Ort, die Branche und das Unternehmen an. Der Grund dafür sieht sie aber nicht in einem latenten Rassismus in der Schweiz, sondern in Vorurteilen wegen den Sprachkenntnissen. «Wegen dem Namen wird darauf geschlossen, dass die Person die Sprache nicht gut spreche.» Zur Abhilfe empfiehlt sie deshalb kurz anzurufen, wenn es möglich ist.

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