«Franziskus ist kein Reformpapst»

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Besuch in Genf«Franziskus ist kein Reformpapst»

Papst Franziskus besucht die Schweiz. Er gilt vielen als Reformer. Zu Unrecht, sagt Andreas Kyriacou: Er sei genauso konservativ wie seine Vorgänger.

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Am Donnerstag, 21. Juni 2018, besucht Papst Franziskus (hier am 20. Juni auf dem Petersplatz) die Schweiz. Er wird am 70-Jahre-Jubiläum des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) teilnehmen. Nach einer Willkommenszeremonie ...
... trifft er um 10.30 Uhr Bundespräsident Alain Berset. Nach einer Predigt und einem Mittagessen mit der ÖRK-Spitze wird er um 17.30 Uhr eine öffentliche Messe halten. Diese findet ...
... im Messezentrum Palexpo statt und wird von 41'000 Gläubigen mitverfolgt. Danach fliegt der Papst gegen 20 Uhr zurück nach Rom. Die Kantonspolizei Genf wird mit all ihren Kräften im Einsatz sein, zusätzlich kommen Polizisten aus anderen Kantonen und maximal 200 Armeeangehörige zum Einsatz.
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Am Donnerstag, 21. Juni 2018, besucht Papst Franziskus (hier am 20. Juni auf dem Petersplatz) die Schweiz. Er wird am 70-Jahre-Jubiläum des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) teilnehmen. Nach einer Willkommenszeremonie ...

AFP/Vincenzo Pinto

Der Besuch von Papst Franziskus in Genf mobilisiert die Massen: 41'000 Gläubige wollen seine öffentliche Messe mitverfolgen. Doch es gibt auch Kritik. Andreas Kyriacou, Präsident der Schweizer Freidenker-Vereinigung, sagt, wieso der Papst überschätzt wird.

Herr Kyriacou*, was halten Sie vom Besuch des Papstes in der Schweiz?

Wenn Katholiken den Papst feiern wollen, spricht nichts dagegen. Man darf aber nicht vergessen: Er ist kein Reformpapst. Er fährt den gleichen konservativen Kurs wie seine Vorgänger. Man darf nicht nur auf Kuschel-Statements und die schönen Bilder von seinen Reisen schauen, sondern analysieren, wie der Papst politisiert und wie er zu seinem Stammpublikum spricht.

Woran machen Sie das fest?

Er spricht sich etwa gegen die Home-Ehe aus. Vor wenigen Tagen hat Franziskus gesagt, die einzige von Gott vorgesehene Verbindung sei die zwischen Mann und Frau. Die katholische Kirche denkt nicht im entferntesten daran, sich in die Moderne zu bewegen. Das hat man auch in Irland gesehen: Lokale Bischöfe weigern sich, die Abstimmung über die gleichgeschlechtliche Ehe zu akzeptieren.

Die Ehe für Alle gibt es auch in der Schweiz nicht.

Papst Franziskus ist auch sonst sehr konservativ: Er hat Abtreibungen mit Nazi-Verbrechen gleichgestellt (Anm. der Redaktion: Franziskus sagte, die ganze Welt sei schockiert davon, was die Nazis getan hätten, um die Reinheit der Rasse sicherzustellen. «Heute tun wir dasselbe, nur mit weissen Handschuhen.» Abtreibung sei eine «perverse, gottlose Neuheit».) Der Abgeordnete des Vatikans hat sich vor der UNO gegen das Recht ausgesprochen, keine Religion zu haben. Kaum ein Staatsoberhaupt würde sich das erlauben. Beim Vatikan lassen wir das aber kritiklos durchgehen.

Wieso gilt der Papst dennoch vielen als Reformer?

Nach dem sehr konservativen Papst Ratzinger hat man Hoffnungen in ihn projiziert. Die Strukturen des Vatikans sind verknöchert, auch im Vatikan fordern viele Reformen. Medien neigen zu oberflächlicher Berichterstattung, wenn es um den Vatikan geht. Er scheint nach wie vor ein Tabu zu sein.

Drei Bundesräte und der Nationalratspräsident werden den Papst treffen. Ist das angemessen?

Wenn ein kleiner Inselstaat zu Besuch kommt und dann auch drei Bundesräte vorsprechen, wäre das okay. Wenn nur der Vatikan so viel Aufmerksamkeit erhält, ist das nicht fair.

Was erwarten Sie vom Bundesrat?

Ich hoffe, dass er den Papst daran erinnern wird, dass die Schweiz selbstverständlich zum Recht, keine Religion zu haben, steht. Es ist in Ordnung, wenn das hinter verschlossenen Türen geschieht.

Wenn Sie den Papst selbst treffen könnten: Was wäre Ihre Botschaft?

Ich würde ihn fragen, wann der Vatikan die Europäische Menschenrechtskonvention ratifizieren will. Das wäre zumindest eine erste Zusicherung, dass sich der Vatikan in Richtung humanistische Werte bewegt.

Andreas Kyriacou

Andreas Kyriacou ist Präsident der Freidenker-Vereinigung der Schweiz. Er arbeitet als Berater für Wissensmanagement.

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