Angriff auf HomöopathieSollen Schweizer Globuli wieder selbst bezahlen?
In der Schweiz werden Forderungen laut, dass Krankenkassen homöopathische Mittel nicht mehr übernehmen sollen. So argumentieren Befürworter und Gegner.
Nach Australien hat auch Frankreich entschieden, dass homöopathische Mittel nicht mehr von der Krankenkasse übernommen werden. Globuli seien nur so wirksam wie Placebos, das rechtfertige keine Rückerstattungen, argumentiert Frankreichs Gesundheitsbehörde nach einer Auswertung von 800 Studien. Auch in Deutschland verlangen jetzt Ärzte einen Zahlungsstopp für Homöopathie, und in der Schweiz werden gleiche Forderungen laut.
Laut Babette Sigg, Präsidentin des Konsumentenforums, soll Homöopathie wieder aus dem Leistungskatalog der Grundversicherung verschwinden. «Es kann doch nicht sein, dass die Kosten im Gesundheitswesen stets steigen, aber nachweislich unwirksame Behandlungsmethoden weiterhin munter finanziert werden.» Der Katalog müsse revidiert, die Vergütung von Homöopathie gestrichen werden. «Um die Kostenexplosion zu bremsen, müssen alle Federn lassen», so Sigg.
«Wirksamkeit nie bewiesen»
Die Zeit sei reif für eine neue Abstimmung, die Politik müsse ihren Fehler einsehen und korrigieren, pflichtet ihr Immunologe Beda Stadler bei. «Dass Krankenkassen für eine Art Religion zahlen – also für Zuckerkügeli und Wasser, die nichts nützen –, ist Irrsinn.»
Auch SVP-Nationalrat Sebastian Frehner sieht die Rückerstattungen skeptisch: Homöopathische Mittel erfüllten die dafür nötigen WZW-Kriterien (wirksam, zweckmässig, wirtschaftlich) nicht. «Die Wirksamkeit von Globuli wurde nie bewiesen, daher sollten sie auch nicht von den Kassen vergütet werden.»
Eine Änderung sei aber schwierig: Schliesslich habe das Stimmvolk entschieden, die Komplementärmedizin in die Grundversicherung aufzunehmen (siehe Box). Diesen Entscheid müsse man respektieren, auch wenn einem das zuwider sei. Frehner: «Wir müssen die Thematik im Parlament beobachten und prüfen, ob eine Revision sinnvoll wäre.»
10 Millionen von 33 Milliarden
Selbst der Krankenkassendachverband hat teils Zweifel. «Es liegt im Wesen der Homöopathie, dass sie einen Nachteil hat, die Wirksamkeit wissenschaftlich nachzuweisen», sagt Matthias Müller, Leiter Kommunikation bei Santésuisse. Allerdings gebe es in der Alternativmedizin teilweise Erfahrungswissen, das hilfreich sein könne.
Derzeit gebe es jedenfalls keine Bestrebungen, die Homöopathie aus dem Leistungskatalog zu streichen, sagt Müller. Den Volkswillen gelte es zu respektieren. Zudem handle es sich vergleichsweise um nicht sehr hohe Beträge: «Die jährlichen Vergütungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung betragen rund 33 Milliarden Franken, knapp 10 Millionen Franken davon entfallen auf die Homöopathie», so Müller.
«Keine Auswirkung auf Prämien»
Die Versicherten würden bei einer Änderung in keiner Weise profitieren, sagt Gisela Etter, Präsidentin der Union komplementärmedizinischer Ärzte: «Die Streichung der Homöopathie aus der Grundversicherung wäre nicht prämienwirksam. Einzige Verlierer blieben die Patienten.»
Jeder Mensch sei einzigartig und spreche auf andere Behandlungsmethoden an. Es gebe zahlreiche Patienten, die Homöopathie als wirksam erlebten und sich individuelle Behandlungen wünschten. «Darum sind die Therapie-Wahlfreiheit und medizinische Methodenvielfalt, wie wir sie heute haben, auch so wichtig», so Etter.
Sie betont, die Nachfrage nach ärztlicher Homöopathie sei in den letzten Jahren in der Schweiz weiter gestiegen und grösser als das Angebot. Das zeige die Gesundheitsbefragung 2017 des Bundes, die 2019 publiziert wurde.
Diese Alternativ-Medizin übernehmen Kassen
In der Schweiz übernehmen Krankenkassen in der Grundversicherung seit 2012 die Kosten für homöopathische Behandlungen. Das Stimmvolk hatte 2009 den Verfassungsartikel zur Komplementärmedizin mit 67 Prozent angenommen. Vergütet werden ärztliche Leistungen der anthroposophischen und der traditionellen chinesischen Medizin, der Homöopathie und der Phytotherapie (Pflanzenheilkunde). Selber bezahlen müssen Bürger homöopathische Leistungen, die von Ärzten mit keiner anerkannten Weiterbildung erbracht werden.
Intervention und Prüfung ist möglich
Das Bundesamt für Gesundheit betont, die Homöopathie unterstehe – wie alle ärztlichen Leistungen – dem Vertrauensprinzip. Sie werde unter der Annahme vergütet, dass sie wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sei (WZW-Prinzip). Gebe es Vorbehalte, könne man intervenieren und eine WZW-Prüfung verlangen. Diese Möglichkeit stehe grundsätzlich allen offen. Bei einer verlangten Prüfung müssten Fachorganisationen der Homöopathie-Ärzte mit wissenschaftlichen Dokumentation den Nutzen ihrer Leistungen belegen. Letztlich entscheide der Bund, ob die WZW-Kriterien erfüllt seien.