CoronavirusSpaziergänger und Jogger zoffen sich um Abstand
In vielen Gebieten im Grünen herrscht dicke Luft. Wegen der Abstandsregeln geraten sich Passanten in die Haare.
Der eindringliche Appell des Bundesrats, zum Schutz vor dem Coronavirus den Zwei-Meter-Abstand einzuhalten, erzeugt auf Spazierwegen böses Blut. In einem beliebten Naherholungsgebiet in Meilen ZH gerieten Spaziergänger kürzlich aneinander. «Halten Sie den Zwei-Meter-Abstand nicht ein?», rief eine Spaziergängerin zwei Spaziergängern von weitem genervt zu. «Natürlich halten wir den Abstand ein. Wir wollten Ihnen erst ausweichen, wenn wir uns kreuzen», antwortete die Tochter, die mit ihrem Vater unterwegs war.
Das beruhigte die Spaziergängerin nicht. «Wissen Sie, ich habe gelesen, dass sich das Coronavirus auch in der Luft über weite Strecken verbreiten kann», entgegnete diese. Auch eine 70-jährige Frau kritisierte das egoistische Verhalten von einzelnen Spaziergängern: «Es gibt Spaziergänger, die zu dritt den ganzen Weg versperren. Immer bin ich diejenige, die ausweicht.»
«Ist das so schwer, Abstand zu halten?»
Oft zu Zoff kommt es auch zwischen Spaziergängern und Joggern. «Ist das so schwer, Abstand zu halten?», giftelte eine junge Joggerin, als sie im Naherholungsgebiet in Meilen ZH zwischen zwei Spaziergängern durchsprintete. Sie hätten ihr ja Platz gemacht, protestierten die Mutter und ihr Sohn. Die Attackierten finden das Verhalten der Joggerin unfair. «Als wir Schritte hörten, wich ich sofort auf den linken und mein Sohn auf den rechten Wegrand aus, um ihr Platz zu machen. In Luft auflösen können wir uns nicht», sagt die Mutter.
Auch in anderen Gebieten herrscht wegen der Abstandsregeln dicke Luft. «Die Leute drehen ja alle durch mit dieser Zwei-Meter-Regel», sagt eine Mutter aus Zürich. «Kürzlich stand ich an einem Waldweg. Da kam eine Joggerin und sagte: ‹Weg da, so kann ich die Zwei-Meter-Regel nicht einhalten!›»
Jogger seien rücksichtslos
Leser-Reporterin E. S.* aus Zürich beklagt sich: «Wir Spaziergänger müssen momentan dauernd wegen den Joggerinnen und Joggern auf die Seite springen. Die Jogger weichen meistens kein bisschen aus.» Sie schlägt vor, dass die Jogger nach links und die Spaziergänger nach rechts ausweichen.
In den Joggern sieht S. ein besonders hohes Ansteckungsrisiko. «Die Jogger gefährden mit ihrem wuchtigen Ausatmen und dem Nichtausweichen die Spaziergänger.» Andere Leser teilen ihre Meinung. «Das Schlimme: Die meisten Jogger keuchen laut oder prusten vor sich hin», kritisiert jemand.
Biker und Reiter
Biker und Reiter verschärfen das Problem mit den Abstandsregeln zusätzlich. Als Reiter bremse man sein Pferd normalerweise in den Schritt und grüsse, wenn man Fussgängern entgegenkommt, sagt eine Reiterin. «Es gibt aber Reiter, die sich nicht an diese Anstandsregel halten und einfach weitertraben.» Auch Velofahrer nähmen teilweise keine Rücksicht. «Sie fahren an den Pferden recht nahe vorbei.»
Manche Menschen wollen sich den Stress an der frischen Luft nicht mehr antun. «Auf dem Waldweg im Sihlwald kamen mir Spaziergänger, Jogger und Biker sehr nahe. Es gab auch viele ‹riskante› Überholmanöver ohne ausreichenden Abstand», sagt ein junger Mann. Er verzichte deshalb auf die Velotour im Sihlwald. «Ich fahre jetzt nur noch auf der dichtbefahrenen Hauptstrasse.»
*Name der Redaktion bekannt.