Wie lange gibt es das Radio noch?

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Sinkende NutzungWie lange gibt es das Radio noch?

Das Radio kämpft um junge Hörer. Während die SRG auf Podcasts setzt, winkt die Konkurrenz ab und will mit Events und Instagram punkten.

Stefan Ehrbar
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Stefan Ehrbar
Der Bundesrat warnt: Die Nutzungsdauer beim Radio nehme ab. Bei den 15- bis 34-Jährigen höre nicht einmal mehr jeder zweite wöchentlich linear ein Radioprogramm der SRG.
Auch deshalb wolle die SRG einen grossen Teil des Berner Radiostudios in den SRF-Newsroom in Zürich-Leutschenbach (Bild) verlegen, so der Bundesrat.
Eine Analyse der Zahlen zeigt: Tatsächlich nahm die Hördauer der SRG-Radios zwischen 2011 und 2018 ab. Die privaten Radios (im Bild: Energy Zürich) konnten aber im selben Zeitraum sowohl Marktanteil als auch Hördauer ausbauen.
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Der Bundesrat warnt: Die Nutzungsdauer beim Radio nehme ab. Bei den 15- bis 34-Jährigen höre nicht einmal mehr jeder zweite wöchentlich linear ein Radioprogramm der SRG.

Keystone/Christian Beutler

Radio ist vor dem Fernsehen das beliebteste Medium. Laut Zahlen der Interessengemeinschaft elektronische Medien hören 91 Prozent der Bevölkerung Radio, 67 Prozent täglich. Doch Radio hat ein Problem: Nicht einmal mehr die Hälfte der 15- bis 34-Jährigen nutzt etwa die Programme der SRG wöchentlich linear, also genau so, wie sie gesendet werden. Nicht zuletzt deshalb, so schrieb der Bundesrat in der Antwort auf eine Anfrage, soll ein grosser Teil des Berner Radiostudios in den Newsroom in Zürich integriert werden (20 Minuten berichtete). Die SRG wolle die unterschiedlichen Bedürfnisse mit einem einzigen «digitalen Zentrum» abdecken.

Die Reichweite des Radiomarkts in der Deutschschweiz war zwischen 2013 und 2017 zwar stabil. Der stellvertretende Bereichsleiter Radio bei SRF, Pascal Scherrer, sagt, die Reichweite sei bei den 15- bis 24-Jährigen im ganzen Markt aber um knapp 10 Prozent zurückgegangen. «Davon ist auch SRF betroffen.»

Podcasts oder nicht?

Um junge Hörer weiterhin erreichen zu können, seien On-demand-Angebote wie Podcasts wichtig, sagt Scherrer. Das SRF zähle bei diesen bereits über drei Millionen Downloads pro Monat. Diese Inhalte müssten die Nutzer aber auch ansprechen: «Radiosendungen, die einfach ins Netz gestellt werden, sind noch lange keine Podcasts», sagt Scherrer. Das SRF sei ausserdem für den Einsatz von neuen Technologien wie Smart Speakern gerüstet, die immer mehr Hörer nachfragen.

Nicht auf Podcasts setzt hingegen Daniel Büchi, Geschäftsführer der drei Schweizer Energy-Sender in Zürich, Bern und Basel. Er kann gute Zahlen vorlegen: «Wir legen bei den jungen Hörern leicht zu», sagt er. Wichtig seien eine starke Marke und die Glaubwürdigkeit. «In unserer Social-Media-Abteilung ist das Durchschnittsalter 23 Jahre. Mit alten Strukturen kann es nicht gelingen, junge Hörer zu erreichen», sagt Büchi.

Ist Spotify eine Konkurrenz?

Dass Streaming-Dienste dem Radio das Wasser abgraben könnten, sei falsch. «Das hat man schon bei der Schallplatte und der CD gesagt». Doch diese Medien absorbierten immer nur einen bestimmten Teil des Publikums. Die Energy-Gruppe wachse einerseits mit Anlässen wie dem Openair Energy Air und dem bewährten Programm, das die Hörer binde. Andererseits seien auch neue Spartenprogramme wie Energy Hits ein Erfolg.

Einen ähnlichen Weg geht der Konzern CH Media. Auch er hat bei jüngeren Hörern keine Rückgänge zu verzeichnen. Zu CH Media gehören die Sender Radio 24, Argovia, Pilatus und FM1. Um jüngere Hörer zu erreichen, hat der Konzern vor kurzem die Marke Virgin Radio in die Schweiz geholt und zwei Sender unter dem Label lanciert. «Mit Virgin Radio Hits Switzerland zielen wir genau auf die 14- bis 30-Jährigen ab», sagt Radio-Geschäftsführer Florian Wanner. Social Media und vor allem Instagram seien für die Bewerbung der Angebote enorm wichtig. Mit der Entwicklung sei er «sehr zufrieden».

Macht die SRG genug?

Streaming-Anbieter wie Spotify seien zwar eine Konkurrenz. «Radio hat aber den Vorteil, dass wir mit den Moderatoren und den Inhalten Nähe zu den Hörern schaffen können», so Wanner. Mit Events binde man die Hörer zusätzlich. «Das kann von den internationalen Streaming-Anbietern nicht so schnell kopiert werden.» Hinzu komme die Einfachheit der Radionutzung, das man nur einzuschalten brauche. Bei Spotify hingegen müsse man sich seine Playlist selbst zusammenstellen, für einen Premium Account brauche es eine Kreditkarte.

Edzard Schade, Professor für Informationsmanagement an der HTW Chur, glaubt hingegen, dass das heutige Radio ein Problem hat. Seine Sichtbarkeit habe sich im «Online- und Mobile-Dschungel» verschlechtert. Problematisch sei auch, dass die grossen Anbieter wie die SRG lange Zeit «viel zu wenig» in innovative Radioformate investiert hätten – und auch die aktuellsten Entwicklungen zeigten nicht dahin. Eine jüngere Zielgruppe könne aber wohl nur mit innovativen Audioformaten begeistert werden. Das Bedürfnis sei da. Schade: «Menschen lassen sich auch heute noch von anderen Menschen unterhalten, informieren und in unbekannte Hörwelten verführen.»

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