Weg als ArbeitszeitWer kann im Zug konzentriert arbeiten?
Bundesangestellte dürfen neu im Zug arbeiten. Ein Experte nimmt Stellung zu den Kommentaren der Leser.
Ab 1. Januar darf das Bundespersonal schon auf dem Arbeitsweg einstempeln, wenn es im Zug den Laptop auspackt. Die Leser diskutieren die Neuerung kontrovers – viele befürchten, dass im Zug nur geschlafen statt gearbeitet wird. 20 Minuten hat die Kommentare Jens O. Meissner, Professor für Organisationsdesign an der HSLU, vorgelegt.

Jens Meissner: Kontrollieren kann man das nicht. Mobiles Arbeiten bedeutet, dass man den Angestellten vertraut und ihnen klare Vorgaben macht, welche Arbeit in welcher Zeit erledigt werden muss. Für die Team- und Gruppenleiter ist das eine Herausforderung: Wenn im Team der Eindruck entsteht, dass eine Person auf dem Arbeitsweg eine ruhige Kugel schiebt, führt das schnell zu Missstimmung im Team.

Ob ein Angestellter im Zug Netflix schaut und die Arbeit zuhause erledigt, spielt keine Rolle. Die Bedingung: Er muss die Arbeitsportionen pünktlich abliefern und die Zeit korrekt erfassen.

Nein! Es ist bloss eine andere Arbeitsrealität. Der Handwerker muss sich viel weniger selber organisieren. Nur weil er von 7 bis 5 Uhr arbeitet, sagt das ja noch nichts über die Qualität aus. Nur wenn diese stimmt, sollten auch liberalere Zeiterfassungen möglich sein.

Flexibles Arbeiten liegt tatsächlich voll im Trend, auch in der Privatwirtschaft. Der Bund kann sich der Entwicklung nicht entziehen: Im Kampf um die besten Fachkräfte erwarten diese heute solche Freiräume. Studien zum Homeoffice zeigen, dass die Kosten durch geteilte Arbeitsplätze (Desk-Sharing) um 20 Prozent sinken. Auch der CO2-Ausstoss sinkt im gleichen Ausmass. Arbeitet man wirklich mobil, kann man auch einen späteren Zug nehmen. Das führt dazu, dass die Plätze in den Zügen besser genützt werden.

Das ist ein subjektives Argument. Es ist eine Frage der Abgrenzung. Einige lieben den Zug für kreativ-schöpferische Tätigkeiten. Schwärme von Studierenden und Lehrenden lernen und arbeiten im Zug. Ganze Bücher sind im Zug entstanden.

Das ist ein berechtigter Punkt. Heikle Gespräche gehören nicht in den Zug. Die meisten Aktivitäten eines Sachbearbeiters sind aber beleggebunden – er muss also nicht telefonieren. Und für das Display gäbe es noch entsprechende Sichtfilter, sollte dies wirklich nötig sein.

Das ist diffamierend und fies! Es geht bei Staatsangestellten nicht um Wettbewerbsfähigkeit, sondern darum,
dass der Staat gut funktioniert. Produktiv kann da auch bedeuten, dass man ein paar Stunden lang nicht so sehr auf das Ergebnis achtet wie in der Wirtschaft, sondern zum Beispiel auf ein geeignetes und faires Verfahren.