«Frauen sollen sich stärker wehren dürfen»

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Sexuelle Belästigung«Frauen sollen sich stärker wehren dürfen»

Beissen, mit der Faust zuschlagen oder einen Pfefferspray einsetzen: Wie dürfen sich Frauen wehren, wenn sie sexuell belästigt werden? Eine Anwältin klärt auf.

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Wie darf man sich bei verbaler sexueller Belästigung wehren? «Grundsätzlich gilt: Gegenwehr muss verhältnismässig sein. Wird man sexuell anzüglich angegangen, sollte man verbal zurückgeben», sagt Rechtsanwältin Brigitta Sonnenmoser.
«Wird man am Hintern oder am Busen begrapscht, oder langt jemand einer Frau sogar in die Unterhose, darf sie in Form von Tätlichkeiten zurückgeben. Angebracht ist eine Ohrfeige, Schlagen mit der flachen Hand, Kratzen, ein Faustschlag auf den Körper oder das Einsetzen eines Pfeffersprays.»
«Droht eine Vergewaltigung, dürfen Betroffene den Täter beissen, boxen, an den Haaren reissen oder ihm einen heftigen Tritt gegen die Geschlechtsteile verpassen. Auch ein Faustschlag gegen das Gesicht kann zulässig sein.»
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Wie darf man sich bei verbaler sexueller Belästigung wehren? «Grundsätzlich gilt: Gegenwehr muss verhältnismässig sein. Wird man sexuell anzüglich angegangen, sollte man verbal zurückgeben», sagt Rechtsanwältin Brigitta Sonnenmoser.

Keystone/Ennio Leanza

Einer Schweizerin droht eine Strafe, weil sie einem 20-Jährigen mit einem Faustschlag die Nase brach, nachdem er ihr an Silvester in Wien an den Hintern gefasst hatte. Es stellt sich die Frage: Wie dürfen sich Belästigungsopfer wehren, ohne eine Strafe zu kassieren? Rechtsanwältin Brigitta Sonnenmoser, die auf Opferhilfe spezialisiert ist, klärt auf.

Wurden Sie schon sexuell belästigt und wie wehrten Sie sich? Melden Sie sich hier (wir behandeln Ihre Angaben diskret):

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Wenn man verbal sexuell belästigt wird

«Grundsätzlich gilt: Gegenwehr muss verhältnismässig sein. Nun ist der Begriff der Verhältnismässigkeit nicht definiert und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Wird man sexuell anzüglich angegangen, sollte man verbal zurückgeben.»

Wenn man an Po oder Busen begrapscht wird

«Wird man am Hintern oder am Busen begrapscht, oder langt jemand einer Frau sogar in die Unterhose, darf sie in Form von Tätlichkeiten zurückgeben. Angebracht ist eine Ohrfeige, Schlagen mit der flachen Hand, Kratzen, ein Faustschlag auf den Körper oder das Einsetzen eines Pfeffersprays. Letzterer ist zwar schmerzhaft und bewirkt Augenrötungen, man kann damit aber keine Knochen brechen. Mit einem Faustschlag ins Gesicht dagegen wird eine Grenze überschritten. Ein solcher Schlag kann schwere Verletzungen im Augen- und Nasenbereich zur Folge haben. Entsprechend droht eine Verurteilung wegen Körperverletzung. Der Richter kann aber aufgrund der Umstände die Strafe mildern. Grundsätzlich sollte man sich vor überschiessender Selbstjustiz hüten.»

Wenn eine Vergewaltigung droht

«Droht eine Vergewaltigung, dürfen Betroffene mit viel mehr Gewalt agieren. In der Rechtsprechung wird sogar eine gewisse verbale oder körperliche Gegenwehr verlangt, da rein passives Verhalten – auch wenn ein solcher Übergriff viele Frauen schockiert oder lähmt – von den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten quasi als «Zustimmung» gewertet wird. Dies auch unter Heranziehung des Grundsatzes «Im Zweifel zugunsten des Beschuldigten».

Droht eine Vergewaltigung, dürfen Betroffene den Täter beissen, boxen, an den Haaren reissen oder ihm einen heftigen Tritt gegen die Geschlechtsteile verpassen. Auch ein Faustschlag gegen das Gesicht kann zulässig sein. Die Opfer müssen dem Richter dann allerdings auch plausibel erklären können, dass tatsächlich eine Vergewaltigung drohte. Nicht zulässig ist es, sich mit einem Messer zu wehren oder dem Täter etwa einen Schlüssel in die Augen zu rammen, sofern der Täter unbewaffnet ist. Ein Schlüssel gilt in diesem Fall als Waffe. Es wird eine Erblindung in Kauf genommen. Es handelt sich um Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand. Das Strafmass würde dann massiv höher ausfallen.»

«Täter und Opfer werden verwechselt»

SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann hat kein Verständnis dafür, dass sich Opfer von sexueller Belästigung nicht stärker wehren dürfen, ohne eine Strafe zu kassieren. «Täter und Opfer werden hier verwechselt», sagt die Juristin. Wer eine Frau begrapsche, müsse damit rechnen, dass sie sich wehre – auch mit einem Faustschlag ins Gesicht. «Das sind selbstbestimmte Frauen, die sich so einen respektlosen Umgang nicht gefallen lassen.» Fürchte eine Frau vergewaltigt zu werden und werde sie dabei gar gewürgt oder körperlich traktiert, solle sie sich auch mit einem Messer wehren können, ohne juristische Folgen fürchten zu müssen: «Wenn ein Vergewaltiger verletzt wird oder gar stirbt, hält sich mein Mitleid in Grenzen», sagt Steinemann.

Rechtsanwältin Brigitta Sonnenmoser ist unter anderem auf Opferhilfe spezialisiert. (Quelle: anwaltsbuero-sonnenmoser-hrebik.ch)

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